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Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 8 : Ernährung –

Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.

Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.

Grundsätzliches für jede Therapieplanung

Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!”

Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es zu verhindern gilt.

Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – und nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.

Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird.

Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens auf den Patienten abgestimmt werden.”

ERNÄHRUNG

Grundsätzlich sei gesagt: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig für unser Leben, unsere Gesundheit, unsere Lebensdauer – und eine nicht ausgewogene Ernährung ist ein Risikofaktor für viele sogenannte Gesellschaftskrankheiten. Sollte die Ernährung einseitig sein, bzw. nicht ausgewogen, ist es nach unserer Expertin in jedem Fall sinnvoll, die Ernährung – gegebenenfalls unter Hinzuziehen des Hausarztes – umzustellen oder anzupassen.

Bei Recherchen im Internet hat Annika Rötters die Erfahrung gemacht: “Im Internet kursieren verschiedenste „Anleitungen“, die mit zum Teil recht kuriosen Methoden einer Ernährungsumstellung versprechen, Krankheiten zu heilen.” Dazu möchte unsere Botschafterin noch einmal ganz klar betonen:

“Fetale Alkoholschäden sind nicht heilbar.” Und es ist auch nicht möglich, durch eine besondere Ernährung das Wachstum zu fördern.

Das hat folgenden Grund: Als Mitosegift hemmt Alkohol jegliche Form von Wachstum, was sich beim Kind als Hypoplasie und Hypothrophie äußert – einer verminderten Zellanzahl bzw. Reduktion des Zellvolumens. Genau das führt dazu, dass FAS-Kinder im allgemeinen zu leicht und zu klein sind für ihr Alter.

Hinzu kommt: Um die fetale Proteinsynthese zu gewährleisten ist es erforderlich, Aminosäuren aktiv zum Feten zu transportieren, da die Aminosäurenkonzentration zwischen Kind und Mutter unterschiedlich ist. Durch den Alkohol wird dieser Transport über die Plazenta behindert. Neben dem Transport ist auch die durch RNA gesteuerte Bildung von Proteinen gestört. Durch die wiederum gestörte Eiweißproduktion kommt es zu einem verminderten Aufbaustoffwechsel, was sich ebenfalls in Hypotrophie und Hypoplasie äußert. Dies ist die Ursache, warum FAS-Kinder trotz adäquater Ernährung und guter Förderung nicht gut wachsen.

“Selbstverständlich kann gezielt nach Nahrungsmittelunverträglichkeiten geschaut werden. Gerade intensive emotionale Schwingungszustände oder Ausbrüche können beispielsweise in manchen Familien ziemlich eindeutig mit einem sehr hohen Zuckerkonsum in Verbindung gebracht werden” stellt die Psychologin klar. Die Betonung liegt aber auf “sehr hohem Zuckerkonsum”.

Es gibt nämlich kaum einen Mythos, der sich so hartnäckig hält wie: Zucker macht Kinder hyperaktiv.

Dabei ist wissenschaftlich längst klar: Zucker verwandelt Kinder nicht in hyperaktive Zeitgenossen und sorgt auch nicht dafür, dass gesunde Kinder ADHS entwickeln. “Es gibt keine seriöse Studie, die belegt, dass Zucker hyperaktiv macht”, stellt unter anderem der ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Michael Schulte-Markwort, klar.


Aber: Oft werden
Kinder mit Zucker regelrecht bombardiert. Los geht das schon morgens mit gezuckerten Müslis und Nutella. Für die Schulpause gibt es, weil es schnell gehen muss, einen süßen Fertigsnack. Dann werden gerne Limonaden und Cola getrunken, dazu werden Süßigkeiten und Chips genascht. Was passiert? Es kommt zu einer Berg- und Talfahrt des Zuckerspiegels, der Insulinspiegel hat keine Zeit, auf den Normalwert abzusinken. Folge: Das Kind wird gereizt, aggressiv, unruhig, müde und unkonzentriert.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien und Beobachtungen, die belegen, dass Ernährung einen sehr starken Einfluss auf unser Verhalten bzw. auf das Verhalten unserer Kinder hat.
Eine davon ist die „Fragile Families and Child Wellbeing Study“ der Princeton University/USA. Ergebnis: Kinder, die mehr als drei stark zuckerhaltige Softdrinks pro Tag konsumieren, neigen eher zu aggressivem Verhalten und Aufmerksamkeitsstörungen, als Kinder die keine Softdrinks getrunken haben.

Es gibt außerdem einige Hinweise, dass der aktuelle Trend zu Fertiggerichten, Fast Food, stark zuckerhaltigen und stark verarbeiteten Lebensmitteln Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen hervorrufen können. Lehrer einer US-amerikanischen Schule stellten fest, dass ihre Schüler nach Umstellung von Fast Food auf gesunde Kost deutliche Besserungen in ihrem Verhalten zeigten. Während die Schüler vorher durch mangelndes Benehmen, Aggressivität und andere Probleme auffielen, waren sie nun wesentlich aufmerksamer, arbeiteten besser mit und konnten sich über einen längeren Zeitraum hinweg konzentrieren.

Quellen:

Dr. Reinhold Feldmann/http://www.uni-muenster.de

http://www.fet-ev.eu/ernaehrungsmedizin/143-ernaehrungstherapie-adhs

https://www.eltern-bildung.at/expert-inn-enstimmen/kann-ernaehrung-das-verhalten-unserer-kinder-beeinflussen/

 

Die Therapie-Serie auf einen Blick:

1. Tiergestützte Therapie

2. Musiktherapie

3. Physiotherapie

4. Ergotherapie

5. Logopädie

6. Motopädie

7. Psychotherapie

8. Ernährung

9. Neurofeedback

Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de und @psychotrainment

Autorin: Dagmar Elsen

Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 7 : Psychotherapie –

Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.

Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.

Grundsätzliches für jede Therapieplanung

Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!”

Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es zu verhindern gilt.

Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – und nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.

Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird.

Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens auf den Patienten abgestimmt werden.”

 

Psychotherapie

Psychologische Psychotherapeuten arbeiten klassischerweise entweder verhaltenstherapeutisch fundiert oder tiefenpsychologisch. “Es gibt auch die systmemische Psychotherapie und einige andere mehr”, sagt Annika Rötters, “aber diese sind zum Teil (noch) nicht kassenanerkannt und werden somit auch nicht ohne weiteres von der Krankenkasse übernommen. Es handelt sich oft um Angebote für Privatzahler.”

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TFP)

Kognitive Prozesse und Strukturen, das heißt unbewusste Mechanismen und Prozesse stehen bei der Behandlung durch TFP im Vordergrund. Es soll der sogenannte Kern einer Störung bearbeitet werden. “Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie arbeitet nicht primär symptomorientiert, sondern befasst sich mit den Auslösern der jeweiligen zu behandelnden Störung oder Krankheit”, erläutert die Diplom-Psychologin.

Bei fetal alkoholgeschädigten Menschen besteht zumeist eine Intelligenzminderung. “Das kann die Anwendung tiefenpsychologisch fundierter Methoden deutlich erschweren”, gibt Annika Rötters zu bedenken. Allerdings, und Rötters weiter: “Ursprünglich gehörte die aktive Einarbeitung von verhaltensorientierten Strategien nicht in die Ausbildung zum TFP. Inzwischen wird aber auch hier mit stabilisierenden Techniken gearbeitet. Das bedeutet, dass den Patienten durchaus konkrete Techniken für Belastungssituationen an die Hand gegeben werden. Diese sind jedoch häufig kognitiv basiert – ganz im Gegensatz zu den verhaltensorientierten Ansätzen der Verhaltenstherapie.”

Worauf muss geachtet werden?

Für den Patienten bedeutet es, dass im Vorfeld genau geschaut werden muss, ob er die geeigneten Fähigkeiten mitbringt, dass eine TFP Sinn macht und damit erfolgsversprechend ist. Ebenso muss auch der Therapeut die Fähigkeiten mitbringen, auf den Patienten angemessen eingehen zu können. Die Ausbildung zur Person des tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeuten ist ein Qualitätsmerkmal – die menschliche Passung zwischen Therapeut und Patient spielt aber auch eine große Rolle.

Verhaltenstherapie (VT)

Bei der Verhaltenstherapie liegt der Fokus – vereinfacht gesagt – auf dem Hier und Jetzt, und nicht primär darauf, die Probleme aus der Vergangenheit oder Kindheit aufzuarbeiten. Die Arbeit setzt an konkreten Verhaltensweisen im Alltag an, die den Patienten im täglichen Leben beeinträchtigen. Hierfür soll er sich neue Sicht- und Verhaltensweisen aneignen, um seine Probleme bewältigen zu können. “Oder auch neue Zugänge zu bereits vorhandenen, aber bisher nicht ausgeschöpften Ressourcen erlernen”, erläutert Annika Rötters. Dabei setzt der Psychotherapeut zum Beispiel Angstbewältigungsstrategien, Rollenspiele, Verhaltensübungen, Vorstellungsübungen (mentales Training) und Entspannungsverfahren ein.

Zu Bedenken ist laut Annika Rötters: “Aufgrund der häufig auftretenden Intelligenzminderung, sowie der konkreten Störungen des Sozialverhaltens bei FASD ist (rein theoretisch) Verhaltenstherapie auf den ersten Blick geeigneter als tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Im Einzelfall ist jedoch für die konstruktive Zusammenarbeit eine vertrauensvolle Therapeuten-Patienten-Beziehung höchstwahrscheinlich bedeutsamer für den Therapieerfolg als das konkrete Ausbildungsverfahren des Psychotherapeuten.”

Verhaltenstherapie mit Softskills und Piktogrammen

Bei der Methodik der „Soft Skills“ geht es um die Stärkung zwischenmenschlichen Erlebens und Verhaltens – quasi das „Erlernen sozialer Kompetenzen“. Dies sei sinnvoll, sagt die Psychologin, aber gleichzeitig auch für Patienten mit FASD schwierig, weil entsprechende Grundlagen für ein „ungestörtes soziales Miteinander“, wie etwa Gerechtigkeitsempfinden oder Moralverständnis grundlegend anders angelegt sein könnten als bei anderen Menschen. Annika Rötters: “Nichtsdestotrotz kann es sehr sinnvoll sein, mit Patienten hier zu arbeiten – letztendlich sind angewandte Techniken nicht nur hilfreich für den Umgang mit anderen Menschen, sondern auch für den Umgang des Patienten mit sich selbst.”

“Piktogramme” sind Symbole oder einfache Bilder, mit deren Hilfe Kommunikation gestaltet werden kann. „So könnten beispielsweise manche Patienten mit Defiziten in der verbalen Kommunikation über Piktogramme ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern lernen”, erläutert die Fachfrau. Auch zur Strukturierung des Alltags, beispielsweise mit FASD-Patienten im Autismus-Spektrum, können Piktogramme sinnvoll eingesetzt werden.

Worauf muss geachtet werden?

Verhaltenstherapie darf nur durch zugelassene Verhaltenstherapeuten (etwa psychologische Psychotherapeuten VT) durchgeführt werden. Die vertrauensvolle Therapeuten-Patienten-Beziehung spielt eine wichtige Rolle für die Effektivität der Behandlung.

Neurokognitive Therapien

In der Neurokognition beschäftigen sich Psychologen, Neuropsychologen und Neurobiologen mit der Frage, wie kognitive Leistungen im Gehirn zustande kommen. Annika Rötters: “Neurokognitive Therapien setzen bei der Förderung von Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Planungsfähigkeit, Orientierung, Kreativität und Imagination an. Neurokognitive Defizite werden gezielt bearbeitet und mit den Patienten Techniken erlernt, um sich im Alltag trotz vorhandener – nicht heilbarer – Beeinträchtigungen so eigenständig wie möglich zurechtfinden zu können.”

Worauf muss geachtet werden?

Neurokognitive Ansätze finden sich meist innerhalb Psychotherapeutischer Verfahren – eine „anerkannte Ausbildung zum neurokognitiven Therapeuten“ gibt es bisher in Deutschland nicht. Sowohl das Verfahren als auch der Therapeut sollte zum individuellen Patienten passen. Gerade bei vorliegender Intelligenzminderung mit Orientierungsstörung können neurokognitive Ansätze hilfreich sein – eine Garantie kann es trotzdem nicht geben.

 

Die Therapie-Serie auf einen Blick:

1. Tiergestützte Therapie

2. Musiktherapie

3. Physiotherapie

4. Ergotherapie

5. Logopädie

6. Motopädie

7. Psychotherapie

8. Ernährung

9. Neurofeedback

 

Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de

Autorin: Dagmar Elsen