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Schrei-Baby-Ambulanzen helfen Eltern und FAS-Kindern

Ein Baby ist ständig unruhig und angespannt und schreit extrem viel und über Stunden. Selbst durch Herumtragen und Saugen lässt es sich nur kurzzeitig beruhigen. Schrei-Baby wird ein solches Kind genannt. Neben vielen anderen Ursachen spielt auch das Fetale Alkoholsyndrom eine Rolle. Alkoholkonsum der Mutter kann auch bei dem ungeborenen Baby zu einer Alkoholabhängigkeit führen. “Dann macht es nach der Geburt einen schrecklichen Alkoholentzug durch”, sagt Almut Heitmann von der SchreiBabyAmbulanz Dresden. Solche Schrei-Babys bringen die Eltern in der Regel an ihre Grenzen, so dass sie dringend Hilfe und Unterstützung benötigen. Diese finden sie in den sogenannten Schrei-Baby-Ambulanzen.

Wann gilt ein Baby als Schrei-Baby?

Almut HeilmannDefiniert wird ein „Schrei-Baby“ nach der Dreierregel, wenn es an mindestens drei Tagen der Woche über mindestens drei Stunden über drei Wochen exzessiv schreit. Jedoch ist das für unsere Arbeit nicht der ausschlaggebende Maßstab, sondern vielmehr der, wie es den Eltern geht, wie hoch sie belastet sind und dringend Hilfe und Unterstützung benötigen. Das Problem des dauerhaften Schlafentzuges und der völligen Erschöpfung der Eltern kann letztlich zu aggressivem Verhalten dem Baby gegenüber führen, dem sogenannten Schütteltrauma. Wichtig ist auch zu wissen, daß eine solche Reaktion keine Milieu-Frage ist, sondern durch alle Bevölkerungsschichten geht.

Welche Symptome hat ein Schrei-Baby?

Almut HeitmannEin Schreibaby ist ein sehr unruhiges und angespanntes Baby. Es beruhigt sich durch Tragen und Saugen nur kurzzeitig und hat ein hohes Erregungslevel. Häufig hat es eine überstreckte Haltung und einen stark angespannten Muskeltonus. Es schläft tagsüber (teilweise auch nachts) kaum und schreckt immer wieder aus dem Schlaf auf. Die Eltern des Babys haben häufig Probleme mit der Kontaktaufnahme zum Kind, da es wenig Augenkontakt halten kann und fast immer unzufrieden erscheint. In den meisten Fällen waren die Eltern bereits bei verschiedenen Ärzten und Therapeuten, die keine körperlichen Beeinträchtigungen feststellen konnten. Allerdings im Bereich der emotionalen Ebene wird deutlich, daß das Baby unter sogenannten Regulationsstörungen leidet.

Welche Ursachen gibt es für ein Schrei-Baby?

Almut Heitmann: Es gibt verschiedene Ursachen für ein Schreibaby. Man kann nicht immer genau sagen, was dazu geführt hat. Häufig ist es eine Kombination verschiedener Faktoren. Um einige zu nennen: Ursachen in der postnatalen Zeit sind zum Beispiel die ungewollte Schwangerschaft, drohende Fehlgeburt, Unsicherheiten, wenn durch Diagnostik evt. Fehlentwicklungen vermutet werden, Alkoholkonsum der werdenden Mutter, auch Drogenkonsum und sozial bedingte Konflikte, wie Trennung, finanzielle Probleme, keine Bindungsaufnahme zum ungeborenen Kind (mit folgender Adoption beispielsweise). Alkoholkonsum der Mutter führt zur Abhängigkeit des Kindes. Das Baby macht sehr bald nach der Geburt einen unglaublich schrecklichen Entzug durch und hat ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen.

Auch die Geburt kann einen weiteren Einfluß auf die Entwicklung des Kindes haben, so ist zum Beispiel ein Notkaiserschnitt ein großer Eingriff, oder auch eine schwierige Spontangeburt mit Komplikationen. Wenn das Neugeborene keine gute erste Bindungserfahrung machen kann, ist der Start ins Leben noch mehr belastet und es kann zum Phänomen des „Schreibabys“ kommen. Das war übrigens schon immer so, nur daß es heute eher zur Sprache kommt. Dennoch müssen wir weiter aufklären, wie wichtig und entscheidend für das gesamte Leben eine geschützte und unbelastete Schwangerschaft für Mutter und Kind sind!

Was kann man tun, einem Schrei-Baby zu helfen?

Almut Heitmann: Zuerst benötigt man sehr viel Ruhe und Empathie für das Baby und die Eltern. Ein vertrauensvoller Raum muss geschaffen werden, wo sich die Betroffenen im geschützten Rahmen öffnen können und sich verstanden fühlen. Es gilt den Kreislauf des Schreiens verbunden mit der steigenden Unruhe und Angst der Eltern zu durchbrechen. Durch Entspannungs- und Haltearbeit, Atemübungen und Anleitungen, die auch dafür für die häusliche Umgebung gut umsetzbar sind, wird die Mutter/ die Eltern stabilisiert. Zwischen den Eltern/ der Mutter und dem Baby wird sanft und mit hohem Einfühlungsvermögen eine Verbindung aufgebaut und gefördert. Beruhigungsstrategien werden individuell an das Baby angepasst und geben neue Sicherheit. Das braucht Zeit und eine gute Selbstanbindung der Eltern. Dafür ist es auch notwendig, gemeinsam Ressourcen zu suchen – was braucht die Familie, wer kann unterstützen, gibt es weitere Therapieansätze und Hilfsangebote zur Entlastung.

Was sollte man unbedingt vermeiden, wenn man ein Schrei-Baby hat?

Almut Heitmann: Wichtig ist, nicht mit dem Baby allein und zurückgezogen zu bleiben, sondern Hilfe zu suchen, sich mitzuteilen und Kontakt aufzusuchen. Auch Nachbarn, Freunde, Verwandte können unterstützen, wenn sie davon wissen.

Wann ist es angeraten zu einer Schreibaby-Ambulanz zu gehen?

Almut Heitmann: Wenn die Mutter/ der Vater das Gefühl hat, keinen Zugang zum Baby zu bekommen, wenn sie sich überlastet und überfordert fühlen, sich Sorgen um das Baby machen und sich mit dem Kind nicht entspannen können.

Was macht die Schrei-Baby-Ambulanz im Gegensatz zuKinderarztIn oder Hebamme?

Almut Heitmann: Ein Kinderarzt schließt körperliche Ursachen durch eine genaue Diagnostik aus und behandelt bei auftretenden Beschwerden mit einer daraus resultierenden TherapieEr kann auch präventiv tätig werden durch Aufklärung und Impfungen. Durch die regelmäßigen U- Untersuchungen wird durch festgelegte Tests der Entwicklungsstand des Kindes festgestellt und evt. Therapien eingeleitet.

Eine Hebamme hat vor allem die Aufgabe, sich um das Wohlbefinden von Mutter und Kind ab direkt nach der Geburt über die ersten Wochen hinweg in Abständen zu kümmern. Dazu gehören Themen wie Stillen, Gewichtszunahme, Babypflege, Gesundheits- und Entwicklungszustand und Fragen und Anliegen der Mutter in diesem Bereich. Auch eine Beobachtung der Rückbildung und Empfehlungen zur Beruhigung in einem begrenzten Rahmen (auch zeitlich) gehören dazu. Wenn ein Problem darüber hinaus geht, sollte die Hebamme gut vernetzt sein und der Familie die entsprechenden Ansprechpartner vermitteln.

In der SchreiBabyAmbulanz kann die junge Familie Beratung und Unterstützung erfahren, wenn sie darüber hinaus Anliegen und Probleme hat, die nicht ausschließlich in den medizinischen Bereich fallen. Häufig betrifft das Fragen zum Thema Schlaf, Unruhe, Ängste und Unsicherheiten mit dem Kind im Alter von 0-3 Jahren. Auch Wut und Trotzverhalten können ein Thema sein. Wir geben ihnen Übungen zum Aggressionsabbau und Lösungsstrategien an die Hand, sich selbst wieder regulieren zu können.

Ein Schrei-Baby stresst die Eltern sehr. Viele von ihnen sagen rückblickend, dass es die schlimmste Zeit in ihrem Leben war. Worauf sollten sie achten, wie sollten sie sich verhalten, was sollten sie vermeiden?

Almut Heitmann: Natürlich ist es selbstverständlich, in der Schwangerschaft Ruhe und Zeit zu haben, sich entspannt auf das Baby vorzubereiten. Ist das wirklich immer so? Nein, leider gibt es häufig viele stressende Faktoren, die diese Zeit überschatten können. Druck auf Arbeit, Verlust eines lieben Menschen, Ängste und Perfektionismus, die zu Überaktionismus führen können, körperliche Beschwerden, wie starke Übelkeit, Rückenschmerzen oder Schwangerschaftsdiabetes u.a., auch Alkoholkonsum aus Gewohnheit oder „um sich auch mal was zu gönnen“ sind leider keine Seltenheit. Deshalb ist es unglaublich wichtig, dass wir wachsam sind und aufklären und den Schwangeren alle Unterstützung zukommen lassen, die möglich ist.

Habt Ihr Erfahrungen mit alkoholgeschädigten Babys und Kleinkindern? 

Almut Heitmann: In meiner Zeit in der Klinik bei Frühchen und Neugeborenen musste ich leider mehrfach erleben, wie massiv und dramatisch die Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft für das neugeborene Baby sind. In der SchreiBabyAmbulanz bieten wir nun auch verstärkt Hilfe an für Pflegeeltern. Bei Finanzierung können wir auch Mütter und Familien mit Kindern, die an diesen Folgen leiden müssen, länger begleiten. Auch hier liegt der Fokus auf dem Bindungsaufbau und einer einfühlsamen, empathischen und aufklärenden Begleitung von Eltern und Kind.

Kontakt: www.schrei-baby-ambulanz-dresden.de

Autorin: Dagmar Elsen