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JA: FAS-Stempel auf der Stirn verbaut Zukunft

„Als Bereitschaftspflege haben wir gegen das Jugendamt keine Chance eine Diagnostik durchzusetzen. Uns steht nur die Alltagspflege zu. Wir müssen sogar fragen, wenn wir dem Kind die Haare schneiden wollen“, empört sich, Pflegemutter Lisa (Name geändert).  Dabei sei der leiblichen Mutter das Baby wegen starker Alkoholprobleme weggenommen worden. Aktuell weilt diese für 22 Wochen in der Entzugsreha und hat zugegeben, in der Schwangerschaft Alkohol getrunken zu haben. Alkohol war wohl auch bei ihrem ersten Kind im Spiel. „Das sechs Jahre alte Mädchen steht kurz davor in die Psychiatrie zu kommen“, berichtet Lisa, weil es bei ihr ständig eskaliere. 

Sowohl der Kinderarzt als auch zwei Klinikärzte, die das inzwischen einjährige Schwesterchen wegen permanenter Brechanfälle untersucht haben, haben schriftlich die Empfehlung ausgegeben, das Kind FASD-Fachleuten in Walstedde vorzustellen. 

Das Amt in einer kleinen Stadt nahe Duisburg bleibt hart und konsequent bei seinem Nein: Mit dem FAS-Stempel auf der Stirn werde dem Kind die Zukunft verbaut. Außerdem werde eine Rückführung angestrebt, wenn die leibliche Mutter nach der Reha stabil genug sei. Auch zu teuer sei eine Diagnostik. Man müsse die Wirtschaftlichkeit im Blick behalten. Ebenso den Stress, dem das Kind ausgesetzt sei. Nicht zuletzt könne für ein FAS-diagnostiziertes Kind weder eine Lebens- noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen werden.

Lisa, die mit ihrem Mann auch drei leibliche Kinder großzieht, ist fassungslos: „Die Leidtragende ist doch die kleine Maus. Ohne Diagnose werden diese Kinder doch regelmäßig überfordert und entwickeln zusätzliche psychische Krankheiten.“ Sollte das Mädchen zurück zu ihrer Mutter kommen, wäre auch diese mit den Auffälligkeiten, die die Kleine jetzt schon aufweise, vollkommen überfordert. Das gehe sehenden Auges in die Eskalation. Kommt die Kleine nicht zurück zur leiblichen Mutter, werde das Mädchen an Dauerpflegeeltern vermittelt. Dafür sei es natürlich besser, wenn keine Diagnose vorliege. „Pflegeeltern werden bei uns vom Jugendamt überhaupt nicht vorbereitet“, sagt Lisa, wissen also nicht, was sie erwartet. 

Lisa: „Ich habe dem Amt ganz klar gesagt – wenn es hier zu einer Anbahnung kommt, dann müsst ihr nicht meinen, dass ihr mir in irgendeiner Form den Mund verbieten könnt. Ich werde alles mitteilen, was ich weiß.“ In dem Landkreis, in dem Lisa mit ihrer Familie lebt, fänden Anbahnungen über einen längeren Zeitraum im familiären Setting ohne Teilnahme des Jugendamtes statt. So könne sie zumindest versuchen, die Eltern aufzuklären. 

Aber, das ist ihr nach so einigen Bereitschaftspflegekindern, die in Dauerpflege vermittelt worden sind, aufgefallen: Die sind dann oft naiv. Da sitzt dann da ein kleines Mädchen und die Pflegeeltern so sehr in ihrem Eifer gefangen, dem Kind ganz viel Liebe schenken und helfen zu wollen, dass sie nicht in der Lage sind, die Problematiken zu erfassen. Dann nehmen sie Kind mit und glauben an die familiäre Glückseligkeit. Irgendwann werde das dann voll an die Wand gehen, ist sich Lisa sicher.

Das alles mache so wütend, wo es doch um das Kindeswohl gehe, macht Lisa ihren Emotionen Luft: „Eigentlich sollten wir mit den Ämtern zusammen für das Kindeswohl arbeiten. Aber denen geht es immer nur ums Geld.“ Und sie seien unwissend, da es für die Mitarbeiter im Jugendamt keine Weiterbildungen gebe. Keine Zeit dafür, heiße es. 

Was das für Folgen hat, zeichnet Lisa an einem anderen Beispiel: Ich habe schon einmal  ein Mädchen mit FAS übernommen. Es kam aus der Dauerpflege. Dort war sie vier Wochen gewesen und ist rausgeflogen. Begründung: Wir haben sie bei uns mit offenen Armen empfangen, aber sie konnte kein Danke und Bitte sagen und hat uns nicht in den Arm genommen. Was erwarten die von der Zweijährigen? Dass sie sagt, vielen Dank, dass du heute den Frühstückstisch gedeckt hast? Nein, das wird nicht kommen; auch nicht von irgendeinem anderen Pflegekind. Und dann haben die gleich das nächste Kind bekommen. Das Jugendamt argumentierte, das lag ja am Kind.“

Lisa hat nun an den Landtag geschrieben, um auf ihre Situation hinzuweisen. Aber wir sind so klein mit den Bereitschaftspflegen. Wir werden nicht gehört, wir sind nicht spannend für das Große. Also man muss laut werden, ja, und dann muss man sich eben auch bewusst sein, dass man sich dadurch verdammt unbeliebt macht.