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Erste-Hilfe-Kompetenz verleiht Sicherheit

Kindern, die fetale Alkoholschäden haben, neigen dazu, höhere Risiken einzugehen als andere Kinder. Sie haben kein gesundes Gefühl für Gefahren und können Konsequenzen nicht abschätzen, die ihr Verhalten nach sich zieht. Und dadurch, dass ihre Fähigkeit reduziert ist, aus Erfahrung zu lernen, setzen sie sich immer wieder aufs Neue gleichen oder ähnlichen Gefahren aus. Das bedeutet, dass Eltern und Großeltern von Kindern mit fetalen Alkoholschäden nicht nur doppelt aufpassen müssen. Sie sollten auch sicher sein in der Erste-Hilfe-Leistung.

Das befürwortet Jordis Kreuz*, Rettungssanitäterin und Erste-Hilfe-Ausbilderin aus dem Münsterland, unbedingt: “Jeder sollte eine gute Hausapotheke mit ausreichendem Inhalt haben und regelmäßig einen Erste-Hilfe-Kurs machen. Die Problematik, dass Kinder und Jugendliche mit fetalen Alkoholschäden hohe Risikobereitschaften an den Tag legen, ist der Mutter dreier Kinder aus ihrer langjährigen Arbeit in einer Außenwohngruppe mit von fetalen Alkoholschäden betroffenen Jugendlichen beim Stift Tilbeck-Havixbeck nur allzu bekannt.

“Gerade der Straßenverkehr stellt ein Problem dar, weil die Geschwindigkeiten gern unterschätzt werden. Die Betroffenen lassen sich leider auch gerne zu waghalsigen Dingen anstiften – Böller lange in der Hand halten, oder mit dem Rad Stunts machen.” Manche riskanten “Spielereien” ließen sich auch vermeiden, indem man scharfe Messer und Scheren wegschließe, Leitern unzugänglich mache, keine Streichhölzer und Feuerzeuge herumliegen lasse.

Hinzu käme in diesem Zusammenhang, dass Betroffene oft ein anderes Schmerzempfinden haben. Sie tun sich weh ohne Schmerzen. Das betreffe auch das Hitze-Kälte-Empfinden.

Erste-Hilfe-Leistung ist bei kleinen Kindern besonders schwierig, weil sie noch schlecht oder auch gar nicht beschreiben können, was genau passiert ist, wo und wie es ihnen weh tut. Deshalb rät Jordis Kreuz, bei unklaren Vergiftungen, Verätzungen oder Verbrennungen sofort medizinische Hilfe zu suchen. Oder auch, wenn das Kind beispielsweise eine Schonhaltung eingenommen hat. “Dann liegt der Verdacht auf einen Bruch sehr nahe”, sagt sie.

Eltern und Großeltern haben oft Angst, dass sie bei den Kindern im Rahmen der Ersten Hilfe etwas falsch machen könnten. “Erste Hilfe kann jeder, und wenn es nur der Notruf ist”, stellt die Rettungssanitäterin klar, “Ruhe ausstrahlen ist wichtig und trösten.” Das werde in der Panik gerne vergessen. Auch bei diesem Punkt helfe es definitiv, wenn man sicher sei in Erster Hilfe. Kompetenz verleiht Sicherheit.

Welcher Notfall wird von Eltern und Großeltern eigentlich gern verkannt? “Vergiftung durch Salz”, kommt die Antwort bei Jordis Kreuz wie aus der Pistole geschossen. Bei Kleinkindern reicht schon ein Teelöffel Salz, dass es zu Nierenversagen, Dehydrierungen sowie Blutungen und Schwellungen im Gehirn kommen kann.

*Jordis Kreuz hat bei den herkömmlichen Erste-Hilfe-Kurse festgestellt, dass das Thema Erste Hilfe für Babys und Kleinkinder dort meistens zu kurz kommt und Eltern sich nach Notfällen ihrer Kinder viele Vorwürfe machen, dass sie nicht richtig hatten helfen können. Das war für Jordis Kreuz die Initialzündung, mit ihrem Unternehmen “Erste Hilfe Party”durchzustarten. “Ich komme zu den Eltern nach Hause, oder eine ganze Familie mit Freunden bucht einen Kurs bei mir. Die Atmosphäre ist dann viel lockerer, weil man sich untereinander kennt. So trauen sich alle auch Fragen zu stellen, die man vor Fremden nicht stellen würde”, erläutert die Erste-Hilfe-Ausbilderin ihr Konzept.

Ihr Erfolg damit gibt ihr Recht. Jordis Kreuz wird auch weit über die Münsterländer Grenzen hinaus gebucht: www.erste-hilfe-party.de

Autorin: Dagmar Elsen

Zur Herzensangelegenheit geworden

Bewegt von dem Leid der Betroffenen und ihrer Familien und entsetzt von den Zahlen, Daten und Fakten zum Fetalen Alkoholsyndrom ist unsere Aufklärungskampagne auch für Stefanie von @windelprinz.de zur Herzensangelegenheit geworden.

Die Bloggerin und Mutter dreier Kinder hat sich nicht nur entschieden Botschafterin zu werden. Sie hat uns eine großartige Plattform geboten, ganz ausführlich in zwei aufeinander folgenden Blogbeiträgen über das Fetale Alkoholsyndrom und seine Folgen aufzuklären, über Erfahrungen und Erlebnisse zu berichten, nicht zuletzt die Notwendigkeit einer flächendeckenden Kampagne zu erläutern.

Stefanie sieht es wie wir: Jedes Baby, das durch unser aller Aufklärung von fetalen Alkoholschäden verschont bleibt, ist alle Mühe, Zeit und Energie wert.

Wir danken Dir von Herzen

Das Interview findet ihr auf: https://blog.windelprinz.de/fas-fetales-alkoholsyndrom/

Erweiterter Handlungsbedarf bei “FAS – Plus”

Im Rahmen der Diagnostik des Fetalen Alkoholsyndroms tun sich immer wieder, und das sehr oft, zwei hochkomplexe Problemfelder auf.

Das betrifft zum einen die Differenzialdiagnostik im Zuge anderer psychiatrischer Erkrankungen wie beispielsweise bipolare Störung, psychotische Erkrankungen, ADHS oder Depressionen. Zum anderen betrifft es sogenannte Traumafolge-Erkrankungen. Denn auch das Umfeld, in dem sich ein FAS entwickelt, bietet oftmals eine Risikokonstellation für weitergehende Belastungen und Traumata. Auch können frühstrukturelle Störungen aufgrund eingeschränkter Sozialisierungsunterstützung in den ersten Lebensjahren eintreten.

Chefarzt Dr. Khalid Murafi* und Supporter der Kampagne (siehe Link “Team”), sieht bei dem sogenannten “FAS Plus” unbedingt erweiterten Handlungsbedarf: “Bei diesen Kindern und Jugendlichen hilft eine Reduktion allein auf das FAS oftmals nicht. Nach unseren Erfahrungen ist jenseits der üblichen Maßnahmen bei reinen FAS-Diagnosen weitergehende Unterstützung zwingend notwendig.”

FAS Plus war auch auf der FASD Fachtagung in Dortmund ein Thema, das Dr. Khalid Murafi im Rahmen einer Tagesdokumentation zusammengefasst hat:

FASD ist an sich schon eine komplexe Problematik mit vielen unterschiedlichen Beeinträchtigungen in unterschiedlichen Systemen der betroffenen Kinder.

Nicht nur, dass die Kinder durch verzögertes Wachstum und retardierende Reifung auffallen. Sie zeigen Organschädigungen, Stigmata, neurologische und motorische Entwicklungsverzögerungen, außerdem psychotische wie diverse andere Verhaltensauffälligkeiten.

Jenseits dieser schon äußerst komplexen Beeinträchtigungen, hervorgerufen durch Alkohol- und Drogenkonsum in der Schwangerschaft, sind diese Kinder prädestiniert für weitergehende Belastungsfaktoren.

Hintergrund hierfür ist eine vermehrte Neigung der Mütter, auch während der Schwangerschaft gegen besseres Wissen Alkohol zu konsumieren. Ursache dafür kann z.B. eine bestehende Abhängigkeitserkrankung sein und / oder eine mütterliche, nicht angemessene Einschätzung hinsichtlich der Wirkung des Alkoholkonsums. Beides wiederum kann einhergehen mit affektiven Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder manisch-depressiven Erkrankungen sowie anderen psychiatrischen Erkrankungen – Psychosen, Angststörungen und unspezifische Affekt- und Impulsregulationsstörungen. Hierbei können genetische Komponenten eine Rolle spielen. Das wiederum führt dazu, dass hier ein erhöhtes Risiko besteht, dass die geborenen Kinder neben den alkoholbedingten Erkrankungen eigenständige psychiatrische Erkrankungen mit genetischen Komponenten entwickeln.

Bekanntlich ist die Zeit der Schwangerschaft mit einem höheren Risiko belastet, auch andere psychosoziale Stressoren aufzuweisen: Partnerschaftskonflikte, soziale Belastungen, Armut, keine ausreichende Gesundheitsfürsorge im Rahmen eines übermäßigen Alkoholkonsums, Partnergewalt, etc. All diese Bedingungsfaktoren führen zu erhöhter Stressauslösung im mütterlichen Organismus, der sich wiederum negativ auf die kindliche Entwicklung im Mutterleib auswirkt. Das bedeutet, dass auch sog. epigenetische Faktoren, also stressbedingte Umprogrammierung genetischer Voraussetzungen in der kindlichen Entwicklung, mit dann erhöhtem Risiko z.B. depressive Erkrankungen entwickeln können.

Die Aspekte der schwerwiegenden lebensgeschichtlichen Belastungsfaktoren während der Schwangerschaft, oder auch mütterlicherseits vor der Schwangerschaft, können einhergehen mit der Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung der Mutter und einer komplexen Traumafolgeerkrankung. Diese Stressoren, die sich auch auf das Kind während der Schwangerschaft übertragen, können zu einer deutlichen Beeinträchtigung der frühen nachgeburtlichen Interaktion mit dem Säugling führen. Das wiederum kann die notwendige basale Versorgung des Neugeborenen, sowie die im besonderen emotionale dringend notwendige Resonanz in den ersten eineinhalb bis zwei Lebensjahren deutlich einschränken. Derlei Resonanzentziehungen können auch bei anderen, ebenso bestehenden psychiatrischen Erkrankungen mütterlicherseits ohne genetische Komponenten – so z.B. bei eigener mütterlicher frühstruktureller Störung (oftmals auch als Borderline-Störung benannt) – rederent sein.

Die eingeschränkte Resonanzfähigkeit mütterlicherseits führt zu einer desorganisierten chaotischen Entwicklung der emotionalen Selbstwahrnehmungs- und Selbstregulationsfähigkeit des Kindes. Das hat entsprechend weitreichende und tiefgreifende Folgen für die weitere emotionale und psychische Entwicklung des betroffenen Kindes; mit dann auch eben der Entwicklung einer sog. frühstrukturellen Störung (also früh entstehend und tief strukturell eingreifend). Das wiederum bedeutet einen sehr langfristigen negativen Effekt auf die Entwicklung des Kindes, zumeist einhergehend mit den schon frühen Verhaltensauffälligkeiten in der Affekt- und Impulsregulation. Mit dem Eintreten in die Pubertät stellt sich dies noch einmal mehr mit aller Deutlichkeit in der Symptomentwicklung dar.

Eine der schwierigen Aufgaben für die betroffenen Kinder ist die Regulation von Gefühlslagen; dies im besonderen in Beziehungen. Das offenbart sich mit dem Eintritt in die Pubertät oftmals ganz besonders durch Brüche mit den Adoptiv- und Pflegefamilien. Die Jugendlichen fallen mit massivem destruktivem Verhaltensweisen auf. Oft sind diese auch gegen sich selbst gerichtet, oder auch gegen innerhalb der bisher vielleicht gerade noch tragfähigen Familienkonstellation bedeutsame und relevante Bezugspersonen.

Nicht selten gibt es bei den von fetalen Alkoholschäden betroffenen Kindern einen Adoptiv- oder Pflegestatus. Allein das Wissen darum stellt für die Kinder eine psychodynamische Last dar, die für sie schwierig zu integrieren ist, wenn sie sich mit diesen Themen beschäftigen wollen oder müssen. Zur eingeschränkten Fähigkeit, mit solchen emotionalen Aspekten umzugehen, kommt auf der Ebene des FASD dann auch noch im Sinne der frühstrukturellen Störung oder anderen bestehenden affektiven Erkrankungen eine hohe Neigung zur Dysregulation.

Dies heißt nicht, dass hier eine grundsätzliche Unfähigkeit zur Psychotherapie besteht. Vielmehr müssen im Behandlungsgang sowohl diese biologisch psychiatrischen Aspekte, teilweise mit einer spezifischen Medikation ( z.B. antidepressiven Medikation oder neuroleptischen Medikation oder stimmungsstabilisierenden Medikation), angegangen werden, als auch psychotherapeutische Maßnahmen auf die jeweilige Gesamtsituation des Kindes oder Jugendlichen angepasst werden. All dies unter möglichst weitgehender Berücksichtigung der komplexen Zusammenhänge. Denn bei diesen Kindern kann es sein, dass eine isolierte Fokussierung auf die schon ausreichend komplexe Problematik der FASD-immanenten Folgen zu kurz greift und es eben zusätzlicher spezifischer Behandlungsangebote bedarf.

In diesem Kontext wurde das Konzept „FAS Plus“ in der Klinik Walstedde entwickelt: Eine weitergehende Diagnostik, sowohl bezogen auf biologische psychiatrische Erkrankungen, Traumafolgeerkrankungen, als auch frühstrukturelle Störungen mit dem Risiko der weitergehenden Persönlichkeitsentwicklungsstörung wird sichergestellt und damit einhergehend spezifische Behandlungsverfahren unter Berücksichtigung der Notwendigkeiten und Möglichkeiten der betroffenen Kinder und Jugendlichen entwickelt.

Bezogen auf eigene Traumafolgeerkrankung ist auffällig, dass das Milieu, in dem ein erhöhtes Risiko mit vermehrtem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft besteht, eben auch ein Risikomilieu sein kann für frühe Traumatisierung, miterlebter Partnergewalt, selbst erlebter Gewalt oder sexueller Grenzverletzungen.

Nicht zuletzt ist zu beobachten und zu berücksichtigen, dass vor allem bei den Mädchen die fehlende Selbstwirksamkeit der FASD-Kinder bei gleichzeitig ausgeprägtem Wunsch sozial erfolgreich zu sein dazuzugehören, anderen zu gefallen, zu einer leichten Beeinflussbarkeit führen kann, die dazu führt, dass sie selber niederschwellig Opfer von Traumatisierungen werden durch sexuelle Ausbeutung und sexuelle Grenzverletzung.

Hier erleben die Kinder und Jugendlichen über die einfachen Aspekte von sexueller Attraktivität eine hohe Selbstwirksamkeit und eine inadäquate zunehmende Bedeutung für eine andere Person, können dies aber leider nicht genau differenzieren. Dadurch können sie sich selbst nicht ausreichend schützen und werden so nur Objekt der Begierde, aber nicht um ihrer selbst Willen begehrt und geliebt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Risikostruktur über die eigentlichen unmittelbar durch den Alkoholkonsum ausgelösten Belastungen der betroffenen Kinder teilweise deutlich hinausgeht, diese differentialdiagnostisch zusätzlich einer Untersuchung bedarf, im besonderen dann, wenn die bisherigen FASD-orientierten Behandlungsmethoden nicht ausreichend erscheinen, um schließlich noch einmal weitergehende spezifische Behandlungsmethoden angepasst an die individuellen Möglichkeiten zu etablieren.

In der Klinik Walstedde wird in der institutseigenen Ambulanz im Verbund mit der renommierten benachbarten FAS*-Ambulanz unter dem Stichwort „FAS Plus“ der Fokus auf weitergehende Erkrankungen im Rahmen des Fetalen Alkoholsyndroms gesetzt: www.klinik-walstedde.de

Neue Flyer dank Dr. Höhl’s

Als die letzten Flyer der Kampagne aus der ersten Produktion in alle Winde verstreut waren, kam just unser neuer Partner Dr. Höhls um die Ecke. Das leidenschaftlich engagierte Familienunternehmen machte es sofort möglich, neue Flyer zu produzieren. Und als Sahnehäubchen gab es gleich die Verpackungsdesignerin Anna Lenhard, ihres Zeichens Tochter der Familienclan-Chefin, mit dazu. Sie ließ es sich natürlich nicht nehmen, das Gesamtwerk zu gestalten – superschön, informativ, mitreißend.
Außerdem bewarb die POMP Sekt-Truppe auf der Flyer Rückseite gleich auch noch zugunsten der Kampagne den Online-Verkauf Ihrer alkoholfreien POMP Grande Cuvées 0,0: Pro verkaufter Flasche gehen jedes Mal 25 Cent ins Spendentöpfchen der Kampagne.
Wir sagen DANKE für Eure tolle Unterstützung!
Flyer gewünscht?
Wer Flyer braucht, um sie zu Verteilen, in Versendungen beizupacken oder in Infobags zu legen – einfach eine Mail schreiben an info@happy-baby-no-alcohol.de – wir schicken gerne Material zu.

Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 6 : Motopädie –

Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.

Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.

Grundsätzliches für jede Therapieplanung

Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!”

Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es zu verhindern gilt.

Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – und nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.

Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird.

Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens auf den Patienten abgestimmt werden.”

Motopädie

Der zentrale Ansatz bei der Motopädie ist die Bewegung, wobei der Begriff der Psychomotorik im Mittelpunkt der motopädischen Arbeit liegt. “Das heißt, die Wechselwirkungen von Körper und Psyche sollen genutzt werden, um pädagogisch präventiv oder therapeutisch rehabilitierend den Patienten dabei zu unterstützen, seine Psyche im Einklang mit dem Körper zu halten, respektive zu bringen”, erläutert Annika Rötters. Das ist der Unterschied zur Ergotherapie, bei der der Schwerpunkt auf dem alltäglichen Handlungsbereich liegt.

Dennoch gilt auch in der Psychomotorik die Bewegung als wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung. Denn durch Bewegung setzt sich der Mensch automatisch sowohl mit seinem Körper als auch mit seinem materialen und sozialen Umfeld auseinander. Wichtig zu wissen bei der Motopädie ist, dass hier nicht bei den diagnosdizierten Defiziten angesetzt, sondern sich an den Begabungen orientiert wird. Diese gilt es zu stärken, um damit das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu steigern.

Angewendet wird die Motopädie bei senso-, psycho und soziomotorischen Leistungsstörungen sowie bei Verhaltens- und Wahrnehmungsauffälligkeiten. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Kinder und Jugendlichen

+ Problem mit rhythmischer Motorik haben, schlecht werfen und fangen können

+ sich unsicher fühlen, weil sie ihre Balance nicht halten können

+ Angst haben, sich neuen Bewegungsabläufen zu stellen

+ Kontakte vermeiden, Regeln nicht akzeptieren können

+ nicht zur Ruhe kommen und ihre Impulse nicht regulieren können

+ orientierungslos sind und sich hinsichtlich ihres eigenen Körpers und ihrer Umwelt nur schwerlich zurecht finden

Worauf muss geachtet werden?

Neben der beruflichen Qualifikation des Motopäden muss natürlich darauf geachtet werden, dass die Passung Therapeut-Patient stimmig ist.

Tip: www.motopaedie-verband.de/anerkannte-praxen

Auf den Seiten des Deutschen Bundesverbandes der Motopäden und Mototherapeuten DBM e.V. sind die geprüften und nach DBM e.V. Richtlinien anerkannten Praxen aufgeführt

Achtung: Motopädie ist keine von den Krankenkassen anerkannte Therapieform, kann nicht nach den allgemeinen Heilmittelrichtlinien vom Arzt verordnet werden. In der Regel müssen also die Therapiestunden selbst bezahlt werden. Manche privaten Krankenkassen übernehmen die Kosten, wenn man ihnen die positiven Ergebnisse der Therapie plausibel vermitteln kann.

Die Therapie-Serie auf einen Blick:

1. Tiergestützte Therapie

2. Musiktherapie

3. Physiotherapie

4. Ergotherapie

5. Logopädie

6. Motopädie

7. Psychotherapie

8. Ernährungstherapie

9. Neurofeedback

Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de

Autorin: Dagmar Elsen

“Ich wünschte mir so sehr in eine Pflegefamilie zu kommen”

Für Elvira aus Berlin, 31 Jahre und Mutter eines neun Jahre alten Sohnes, steht fest: Hätte man sie ihrer Mutter weggenommen, dann wären ihr all die schrecklichen Erlebnisse, die sie zutiefst traumatisiert haben und mit denen sie bis heute zu kämpfen hat, erspart geblieben. Elvira versteht bis heute nicht, warum niemand geholfen hat. “Es haben alle gewusst”, betont sie, “es war den Lehrern bekannt, den Eltern, dem Jugendamt, den Nachbarn, den Ärzten.” Es war auch ein offenes Geheimnis, dass der Vater sich kurz nach der Geburt der Tochter das Leben genommen hatte. Man habe nichts tun können, hat man ihr erklärt, nachdem das Kind 15 Jahre einen einzigen Albtraum erlebt hatte, der erst mit dem Tod der Mutter endete.

“Seit ich mich erinnern kann, hat meine Mutter getrunken”, sagt Elvira. Jeden Tag, den ganzen Tag, gleich nach dem ersten Kaffee morgens ging es los. Da wurde das Bier in die Kaffeekanne geschüttet und hinter das Sofa gestellt. Am Nachmittag zog es die Mutter in die Kneipen. “Ich kannte sie alle in Tempelhof, die Kneipen waren meine zweite Heimat”, so Elvira. Da hat das kleine Mädchen dann gesessen zwischen “all diesen ekligen Suffis” und hat mit Bierdeckeln Türme gebaut, Fassbrause trinken und aus dem Automat an der Wand Nüsse ziehen dürfen. Manchmal hat ihr ein gut gelaunter Suffi die Musikbox angeschmissen. Dann hat die kleine Elvira dazu getanzt – ein kurzes Highlight im ansonsten traurigen Alltag des Kindes.

Denn ging es wieder nach Hause, war die Mutter “immer so sehr besoffen, dass sie nicht mehr richtig laufen konnte.” Dann musste Elvira warten, bis die Mutter ihren Rausch ausgeschlafen hatte. Warten musste sie auch, bis die Mutter Hunger hatte. Denn nur dann gab es Essen, Essen aus der Konservendose. Ravioli. Und Gulasch. Vor allem Ravioli.

Gab es Freunde? “Nein”, sagt Elvira entschieden, “ich war immer allein.” Jeder wusste, dass Elvira’s Mutter eine starke Alkoholikerin war. Niemand wollte “mit so einer” was zu tun haben. “In der Grundschule haben sie mich deswegen gemobbt”, berichtet die junge Mutter. Das ging so weit, dass sie ihr Pinnadeln in den Körper stachen und sie damit über den ganzen Schulhof jagten. “Immer wieder haben sie mir an den Haaren gezogen. Einmal war es so schlimm, dass meine Kopfhaut verrutschte und mit sechs Spritzen wieder eingerückt werden musste”, lässt Elvira mit ihren Erzählungen erschauern.

Wieso wussten alle vom Alkoholismus der Mutter? “Wir hatten Grundschulfest und es wurde Alkohol ausgeschenkt. Meine Mutter hat sich total volllaufen lassen. Dann fiel sie kopfüber ins Gebüsch. Nur noch die Beine ragten heraus. Ich habe gebrüllt wie am Spieß. Ich fühlte mich total hilflos. Ein Pärchen hat uns nach Hause vor die Türe gebracht. Meine Mutter krabbelte dann auf allen Vieren die Treppe hinauf und ich musste die Tür aufschließen”, erzählt Elvira. Es war ein Erlebnis, das der damals Siebenjährigen die Augen öffnete: “Es war das erste Mal, dass ich das so richtig bewusst erlebt habe. Ich dachte, das ist doch nicht normal.”

Ab diesem Tag versuchte die kleine Elvira, was fast alle Kinder von Alkoholikern tun – den Alkohol zu entziehen, sprich, den Alkohol in den Ausguss schütten. Wie das endete, ist allenthalben traurige Realität: Es gab Schläge, in Elvira’s Fall besonders gern mit einem Teppichklopfer.

Als Elvira’s Mutter an den Folgen ihres Alkoholismus’ gestorben war, “haben sie sich beim Jugendamt mit Hilfspaketen für mich fast überschlagen.” Das arme Mädchen sollte alles nacherleben, was ihr entgangen war und bekam eine Einzelfallhelferin an die Seite. Untergebracht werden sollte sie bei ihrer Verwandtschaft. “Es wollte mich aber keiner haben”, sagt Elvira, “denn alle dachten, ich sei frech und respektlos.” Niemand habe ja gewusst, was das Mädchen erlebt hatte.

Und noch etwas hatte keiner in ihrer Familie gewusst – dass Elvira vom Fetalen Alkoholsyndrom (FAS) betroffen war. “Das habe ich erst durch meine Einzelfallhelferin erfahren. Es gibt einen Bescheid vom Versorgungsamt Berlin aus dem Jahre 1996. Da war ich sieben Jahre alt. In dem Bescheid steht, dass ich einen frühkindlichen Hirnschaden mit proportionalem Kleinwuchs habe, eine Lernstörung und eine Störung der Grobfeinmotorik. Mir selbst ist zudem aufgefallen, dass ich eine extreme Matheschwäche habe, und es mir sehr schwer fällt, mir mehrere Dinge zu merken. Manchmal fühle ich mich bei zu vielen Anforderungen, die auf mich einprasseln, überfordert. Außerdem komme ich schnell von 0 auf 100”, berichtet die junge Frau.

So spät die FAS-Diagnose – das war ein Schock für Elvira. Auch wenn sie ihr hinsichtlich der Sprüche ihrer Mutter die Augen öffnete. Denn die Mutter hatte von ihr immer als dem “behinderten Kind” gesprochen. Man müsse bei ihr immer fünf Jahre zurückrechnen, da sie zurückentwickelt sei. Elvira: “Ich selber habe nie verstanden, was sie damit meinte und warum. Aber ich habe es ihr immer geglaubt, dass ich bei mir wirklich fünf Jahre zurückrechnen muss. Ich ertappe mich manchmal sogar immer noch dabei.” Elvira war als Kind selbst aufgefallen, dass sie stundenlang für fünf Matheaufgaben brauchte, manchmal sogar einen Tag. Und dass sie es als Qual empfunden hatte davor sitzen zu müssen, oder in der Schule ein Gedicht auswendig lernen musste – “der reinste Horror für mich.” Aber einordnen hatte sie ihre Defizite nicht können.

Tja, nun hatte Elvira zwar die Diagnose bzw. einen Schwerbehindertenausweis in der Tasche, aber wie sollte es weitergehen? Zunächst erbarmte sich einer ihrer drei deutlich älteren Brüder. Dieser sei aber hoffnungslos überfordert gewesen mit ihr. Elvira: “Wir haben uns nur gestritten.” Er habe sie dann ins Heim oder Internat stecken wollen. Das wollte Elvira auf gar keinen Fall und bettelte so lange, bis ihre Tante ein Einsehen hatte und Elvira bis zu ihrem 18. Geburtstag bei sich aufnahm. “Sie war die einzige, die trotz aller negativer Dinge, die über mich erzählt wurden, nie an mir gezweifelt hat. Und sie hat mich sehr verwöhnt, als ich bei ihr gewohnt habe” erinnert sich Elvira. In der Oberschule fand sie dann endlich auch eine Freundin, die sie seitdem an ihrer Seite weiß und ihr als beste Freundin durch manche schwierige Lebensphase hindurch geholfen hat.

Mit Beginn des Erwachsenenalters wollte Elvira möglichst schnell ihre eigenen Wege gehen. Sie schlingerte zunächst ganz ordentlich. Aber als ihr Sohn geboren wurde, bekam ihr Leben einen positiven Sinn. Die junge Mutter sagte zu sich selber: “Ich werde wirklich alles anders machen als meine Mutter damals.” Elvira holte und holt mit ihrem Sohn alle schönen Kindheitserlebnisse nach, die sie so selbst nie hatte und genießt ein zufriedenes und erfülltes Leben. Die glückliche und fröhliche Mama lebt mit ihrem Freund und Söhnchen zusammen in einer Drei-Zimmer-Wohnung, arbeitet als gelernte Hauswirtschaftshelferin im Öffentlichen Dienst, spielt gerne Tischtennis und Badminton und geht gerne ins Kino.

Zum Abschluss möchte Elvira noch einen Appell loswerden: “Kinder sollten in der Schule besser darüber aufgeklärt werden, dass sie das Recht haben aus ihren Alkoholikerfamilien herauszukommen. Sie sollten von Erziehern und Lehrern, die die Situation im Elternhaus kennen, bestärkt werden. Es sollte ihnen Mut zugesprochen werden, solch einen (sicherlich schwierigen, aber wichtigen) Schritt zu gehen.”

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

Fein feiern und dabei aufklären

Fein feiern und schwanger sein – das muss sich nicht ausschließen. Im Gegenteil. Damit sich Schwangere während dieser besonderen Zeit genauso zum Leben dazugehörig fühlen, hat unser neuer Kampagnen-Partner Dr. Höhl’s 2017 einen 100 Prozent alkoholfreien POMP Sekt in zwei Varianten kreiert, der Schwangere unbesorgt fein feiern lässt. Und weil der sympathische Familie aus Hessen auch die Aufklärung über die Gefahren von Alkohol in der Schwangerschaft sehr am Herzen liegt, engagieren sie sich zu unserer großen Freude seit diesem Oktober aus vollster Überzeugung und mit Leidenschaft für unsere Kampagne HAPPY BABY NO ALCOHOL.

Ihr wollt die Aufklärungskampagne nachhaltig unterstützen. Was war der Auslöser für Euer Engagement?

Zunächst haben wir ganz zufällig von der Kampagne auf Instagram erfahren, als wir nach # für unseren alkoholfreien Aperitif POMP Grande Cuvée 0,0 recherchiert haben. Das hat uns neugierig gemacht und gleichzeitig schockiert! Wir dachten nicht, dass mögliche Folgen von Schwangerschaft und Alkohol im Jahr 2019 noch immer nicht bei allen Schwangeren präsent sind. Da wir das Engagement über FAS als wichtig und sehr sinnhaft empfinden, möchten wir gerne dazu beitragen, dass die Aufklärungsarbeit ausgeweitet wird. Es ist uns ein Anliegen, dass sich Schwangere auch ohne Alkohol zugehörig fühlen können und eine leckere Alternative zu alkoholfreiem Sekt kennenlernen.

Was habt Ihr in Eurem Umfeld zum Thema Alkohol in der Schwangerschaft bisher erlebt?

Johannes’ Frau Christina hat in beiden Schwangerschaften zu 100 % auf Alkohol verzichtet. Das fällt natürlich leichter, weil sie „ihren eigenen alkoholfreien Sekt“ von unserer Familie hat, mit dem sie anstoßen kann. Dass das leider nicht die Regel ist, haben wir selbst im Bekanntenkreis schon häufig beobachten müssen: „ Das eine Gläschen Sekt schadet doch nicht. Haben unsere Mütter doch auch so gemacht.“ Wir empfinden dieses Verhalten nicht okay, obwohl wir selbst auch alkoholhaltige POMP Cuvées anbieten.

Seid Ihr Euch der Ausmaße des Fetalen Alkoholsyndroms bewusst gewesen?

Ein klares Nein! Christina hatte sich da sehr belesen und mit dem Thema FAS in ihrer ersten Schwangerschaft auseinandergesetzt. Wir anderen haben das aber bisher auch nicht so vor Augen gehabt, bis wir die ganzen Fakten der Aufklärungskampagne gesehen haben. Bei allem was in der Schwangerschaft passieren kann worauf man keinen Einfluß hat, finden wir es selbst nur richtig, einem neuen Leben von Anfang soviel Gutes zu tun, wie nur möglich. Und das hat man ja selbst in der Hand, ob man zum Anstoßen etwas alkoholfreies nimmt, oder eben nicht.

Ihr blickt auf eine 240jährige Familiengeschichte. Traditionell wurden alkoholische Apfelweine und Sekt Cuvées aus Äpfeln von Streuobstwiesen und Rieslingtrauben aus dem nahe gelegenen Rheingau produziert. Seit neuestem gibt es den alkoholfreien POMP-Sekt. Was gab den Anstoß?

Christina wurde 2016 mit Christian, unserer 10. Generation, schwanger. Da hatte Johanna, unser Familienoberhaupt und werdende Oma die Idee, einen alkoholfreien Sekt oder Aperitif zu entwickeln. Alles was es bisher auf dem Markt gib, was uns als Familie zu süß, pappig oder künstlich. Wir wollten eine echte Alternative schaffen, die vor allem richtig gut schmeckt, gesund ist (POMP 0,0 ist biozertifizert und ohne jeglicheZusätze, auch ohne Zucker), und einen schönen Sektmoment ins Glas zaubert. Freundinnen, die in den Jahren darauf schwanger waren, sind auch nach der Schwangerschaft noch Fans von unseren mittlerweile zwei Sorten POMP 0,0, die eine tolle Alternative zu alkoholfreiem Sekt geworden sind.

Die Verunsicherung bei Schwangeren ist oft groß, ob denn der alkoholfreie Sekt tatsächlich alkoholfrei ist. Viele Produzenten werben mit alkoholfreien Getränken, in denen aber bis 0,5 % Alkohol enthalten sind. Ihr garantiert 0,0 % Alkohol!

Ja, das finden wir selbst auch höchst suspekt, dass man in Deutschland auf dem Etikett „alkoholfrei“ schreiben darf, selbst wenn Restalkohol im Sekt oder Bier enthalten ist. Beide POMP 0,0 Aperitifs sind komplett alkoholfrei. Wie das geht? Es sind aufwändige Cuvées aus 21 verschiedenen Früchten und Kräutern und Gewürzen – wie Kurkuma, Ingwer – kombiniert mit Gurke beim feinherben POMP und mit Chili, Rosenblüte, Apfelessig und Ginseng bei der fruchtigen Variante. Wir mischen also natürliche Säfte und geben keinen Zucker dazu. Damit basieren die alkoholfreien POMP Cuvées nicht auf endalkoholisierten Weinen wie übliche alkoholfreie Sektsorten im Handel.

Interview: Dagmar Elsen

Beim Stillen: Das Baby trinkt mit

Will ich meine Kliniktasche packen, stoße ich schon beim Abklappern der Ratgeber für werdende Mamas im Internet auf erstaunliche Ratschläge. Unter “Sonstiges steht neben Entspannungsmusik, Bonbons und Smartphone tatsächlich auch die “kleine Flasche Sekt zum Anstoßen nach der Geburt” auf der Liste der Dinge, die man auf jeden Fall dabei haben sollte.

Und nicht nur zum Anstoßen soll der Sekt gedacht sein. Nein, “Wein und Sekt fördert die Milchbildung und schadet nicht”, heißt es landauf landab immer wieder.

Diesen “Bullshit”, anders kann man es beileibe in den heutigen Zeiten und nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen (wobei anzumerken sei, dass die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über ein Jahrzehnt zurückliegen) nicht anders nennen, greifen unsere Kampagnen-Botschafterinnen, gleichsam professionelle Stillberaterinnen so wie Scarlett Highley aus Hannover nur allzu gerne auf*.

Ach ja, und erst kürzlich wieder ließ ein Kinderarzt verlauten, dass der Mutterkuchen den Alkohol abfange.

Man kann nicht umhin zu dem Schluss zu kommen: Erklärung tut tatsächlich Not.

Fakt ist: Das Baby trinkt mit. Konsumiert die Mutter Alkohol, so gelangt der Alkohol über ihren Verdauungstrakt ins Blut und von dort weiter in die Muttermilch. Alkohol wird hauptsächlich in der Leber abgebaut. Auch bei Säuglingen ist die Leber immer noch nicht richtig ausgereift. Das bedeutet, dass die Aktivität der Enzyme im Vergleich zu einer erwachsenen Leber deutlich geringer ist. Heißt: Der Alkohol wird bei den Säuglingen viel langsamer abgebaut und bleibt demzufolge auch viel länger in ihrem kleinen Körper.

Was sind die Folgen?

In Studien wurde nachgewiesen, dass Alkoholkonsum über die Muttermilch den Schlafrhythmus der Säuglinge stören kann. Es wurde beobachtet, dass die Babys deutlich kürzere “ruhige Schlafphasen” und insgesamt einen leichteren Schlaf hatten. Gleichzeitig waren die Wach- und Schreiphasen länger.

Damit nicht genug:

Nach dem Genuss von Alkohol kann es zu einer Verringerung der Milchmenge kommen. Das ist der Tatsache geschuldet, dass schon der Konsum kleiner Mengen Alkohol die Ausschüttung mütterlicher Hormone hervorruft – aber eben nicht dazu führt, dass die Milchbildung angeregt wird, sondern: Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Botschafterin und Stillberaterin Anne Heinzig** aus München erklärt: “Alkohol hemmt die Oxytocinfreisetzung. Das Oxytocin ist ein wichtiges Hormon, welches für den Milchspendereflex wichtig ist. Es kann also gut sein, dass der Alkohol entspannen lässt, ABER er verzögert den Milchspendereflex.”

Das wiederum hat bei vielen stillenden Müttern zur Folge, dass sie über wunde Brustwarzen klagen, berichtet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in seinem Wissenschaftsreport zu “Alkohol in der Stillzeit”.

Gibt es denn eine sichere Grenze für einen Alkoholkonsum in der Stillzeit?

Nein, keine, die wissenschaftlich nachgewiesen ist. Deshalb gilt: “Für die Gesundheit von Mutter und Kind ist es deshalb am sichersten, in der Stillzeit auf Alkohol zu verzichten”, heißt z.B. der Ratschlag im Konsensuspapier von “Gesund ins Leben”.

So weit, so gut. Aber, dann steht da weiter zu lesen: “dass, allenfalls zu besonderen Anlässenein kleines Glas Wein, Bier oder Sekt tolerierbar ist, wenn ein früheres Abstillen die Alternative ist.”

Nach einem ersten erstaunten Stirnrunzeln wird klar: Es soll verhindert werden, dass stillende Mütter nur deshalb aufhörendem Säugling die so wichtige Muttermilch zu verwehren, bloß um auch hin und wieder mitfeiern zu können und nicht mit dem ewig schnöden alkoholfreien O-Saft in der Hand geschmäht vom Rest der Hochzeitsgesellschaft in der Ecke stehen zu müssen.

ABER – Die gute Nachricht: Das Stillen lässt sich planen

Stillberaterin und ebenso Kampagnen-Botschafterin Bärbel Aab*** aus Regenstauf rät: “Am besten erst stillen, dann etwas trinken und eine möglichst lange Pause von mehreren Stunden machen, bevor man wieder stillt.” Ideal ist es natürlich, wenn vor dem Alkoholkonsum Milch abgepumpt worden ist, die man im Kühlschrank für derlei Fälle bereit hält.

Bleibt die Frage zu klären: Wann darf nach dem Alkoholgenuss wieder gestillt werden?

Dazu muss man wissen, dass die Alkoholkonzentration im Blut in etwa parallel zu der Alkoholkonzentration in der Muttermilch ansteigt! Also kann man sagen: In etwa 30 Minuten nach dem Alkoholkonsum ist die größte Menge des Alkohols in der Muttermilch angekommen. Natürlich, das sei an dieser Stelle anzumerken, ist es maßgebend, ob die Mutter vor oder während des Alkolokonsumgegessen hat und wieviel. Denn mit Essen verzögert sich der Alkoholabbau in aller Regel. Und, ebenso entscheidend: Welcher Konstitution, welcher Verfassung ist die Mutter? Ist sie körperlich geschwächt, gestresst, schlechter seelischer Verfassung? Nicht zuletzt ist das Gewicht der Mutter von Bedeutung.

Was passiert dem Baby eigentlich, wenn die stillende Mutter Alkohol trinkt?

Alkohol ist ein Zellgift und kann die kindliche Entwicklung beeinträchtigen. Betroffen ist insbesondere das Gehirn. Die Leber ist beim Säugling noch nicht so ausgebildet ist wie die eines erwachsenen Menschen. Das führt dazu, dass das Baby dem Alkohol länger ausgesetzt wird. Ab welcher Dosis es für das Baby problematisch wird, ist medizinisch nicht eindeutig belegt. Größere Mengen Alkohol sowie ein regelmäßiger Konsum sollten jedoch definitiv vermieden werden, raten alle Experten, so beispielsweise in einem im renommierten US-amerikanischen “Breastfeeding Medicine” veröffentlichten Artikel.

Nachgewiesen ist, dass Alkohol die Schlafzeiten des Babys verkürzt. Zudem verändert Alkohol die Zusammensetzung, den Geruch, und, wie schon gesagt, die Menge der Muttermilch. Aufgrund dessen trinken die Kinder weniger, nehmen langsamer zu und sind oft auch unruhiger.

Noch eine Anmerkung zu Neugeborenen: Bis zum Ende des ersten Monats, da das Baby das Licht der Welt erblickt hat, sollte die Mama besser gar keinen Alkohol trinken. Neugeborene haben oft ganz unerwartet Hunger, so dass eine Zeitplanung unmöglich wird. Außerdem muss sich die Milchproduktion erst einpendeln und reagiert sensibel auf Alkohol.

*www.klecker-lecker.de

**www.stillberatungheinzig.de

***www.ergotherapie-stillberatung-regenstauf.de

Ein im Zusammenhang stehendes und stark nachgefragtes Thema: www.happy-baby-no-alcohol.de/2019/04/20/natuerlicher-alkohol-ist-kein-aufreger-aber-bitte-wohldosiert/

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 5 : Logopädie –

Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.

Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.

Grundsätzliches für jede Therapieplanung

Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!”

Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es zu verhindern gilt.

Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – und nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.

Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird.

Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens auf den Patienten abgestimmt werden.”

Logopädie

Alles, was mit Sprache und Sprechen, der Stimme, Kommunikation, Schlucken, dem Hören, der Gesichts- und Mundmotorik zu tun hat, fällt unter die Kategorie Logopädie. Die Therapieform gehört zur Gattung der Sprachheilkunde.

Indiziert ist sie zum Beispiel bei Fehlbildungen des Gesichts, des Kiefers, des Schädels, bei Schluckbeschwerden oder -störungen, bei Beeinträchtigungen und Verzögerungen der Sprachentwicklung. Ein Klassiker, den viele kennen: das Lispeln.

Annika Rötters erklärt: “Je nach individuellem Bedarf gibt es verschiedene Herangehensweisen und logopädische ‘Schulen’ (beispielsweise Castillo Morales*), bei denen es sich um Zusatzqualifikationen im Rahmen der Sprachheilkunde handelt.

Die therapeutischen Übungen werden während den Sitzungen erarbeitet – mit Kindern spielerisch – und zum selbständigen Üben mit nach Hause gegeben.”

Wie bei anderen Therapieformen auch, ist es nicht zwangsläufig sinnvoll, erst eine Entwicklungsverzögerung abzuwarten. Besser, so die Psychologin: “Logopädie präventiv einsetzen, wenn absehbar ist, dass es zu Schwierigkeiten kommen wird. Das ist vor allem bei Sprachentwicklungsstörungen zu beachten, da hier das Risiko besteht, dass die Kinder eine Lese-Rechtschreibschwäche entwickeln. Hilfreich ist hier die konzeptuelle Einbindung beispielsweise eines Frühförderzentrums.

Manche Kindergärten und Schulen sind an logopädische Praxen angeschlossen, so dass die Kinder in ihrem Alltag spielerisch gefördert werden können.”

Worauf muss geachtet werden?

Neben der beruflichen Qualifikation des geprüften Logopäden ist von Bedeutung, dass Patient und Therapeut zueinander passen.

Tipp für die Suche nach einem Logopäden: www.dbl-ev.de/service ist eine Suchmaschine des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie e.V., der nach der Eingabe der Postleitzahl die entsprechenden Adressen auspuckt.

Achtung:Je nach Art und Schwere des Krankheitsbildes wird die Art und Anzahl der Behandlung vom Arzt festgelegt und verordnet, so dass die Krankenkasse die Kosten üblicherweise übernimmt.

 

Die Therapie-Serie auf einen Blick:

1. Tiergestützte Therapie

2. Musiktherapie

3. Physiotherapie

4. Ergotherapie

5. Logopädie

6. Motopädie

7. Psychotherapie

8. Ernährungstherapie

9. Neurofeedback

*www.castillomaroalesvereinigung.de

Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de

Autorin: Dagmar Elsen

“Es wurde nichts beschönigt, es wurde nichts verschwiegen. Das ist elementar!”

Als der kleine Nick* im Alter von knapp drei Jahren bei seinen Pflegeeltern Isabel* und Paul* einzog, da war das Fetale Alkoholsyndrom (FAS) bei ihm schon diagnosdiziert. “Wir haben alle Informationen über ihn erhalten. Uns wurden alle Berichte vorgelegt und das Krankheitsbild nochmals ganz genau erklärt. Es wurde nichts beschönigt, es wurde nichts verschwiegen”, sagt die 30 Jahre alte Pflegemutter. Für sie eine elementare Voraussetzung, sonst seien Pflegschaften oder Adoptionen für alle Beteiligten leidvoll und oft genug zum Scheitern verurteilt.

Es macht Isabel wütend, dass die Jugendämter nicht generell aufklärten, dass die Pflege- und Adoptivkinder FAS haben können. Die können gar nicht versprechen, dass die Kinder gesund sind, weil niemand sagen kann, ob die Mutter tatsächlich während der Schwangerschaft keinen Alkohol getrunken hat.”

Isabel und ihr 31jähriger Partner wissen das aus eigener Erfahrung. Die biologische Mutter ihres Sohnes streitet bis heute ab, als Schwangere Alkohol konsumiert zu haben.

Dabei hatte Nick schon nach der Geburt ausreichende optische Anzeichen, im Mutterleib von Alkohol geschädigt worden zu sein: verkürzter Nasenrücken, schmale Augenlidpartie, flaches Philtrum, eine nicht ausgebildete Ohrmuschel, dünne Oberlippe sowie körperlich extrem klein und dünn.

Kein Verdacht der Ärzte? Offensichtlich zunächst einmal nicht. Isabel erinnert sich: “Die Leiterin des Babyschutzes, in das das Baby mit einem Jahr kam, war es, die sofort skeptisch wurde und mit ihrem Verdacht auf FAS nicht locker ließ. Aber erst nachdem sie den Kinderarzt gewechselt hatte, öffnete sich der Weg zur richtigen Diagnose, die in der Fachklinik Walstedde vorgenommen wurde.

Der kleine Nick zeigte und zeigt sich obendrein zunehmend verhaltensauffällig wie auch entwicklungsrückständig. Eine extreme Bindungsstörung fiel schon im Babyschutz auf. Dieser legte sich aber im trauten Familienheim Nick’s neuer Eltern in kürzester Zeit – “für Nick war sofort klar, dass wir seine neue Mama und Papa waren”. Besonders belastend war für alle die Autoaggressivität, indem Nick penetrant mit dem Kopf gegen die Wand schlug und gegen tote Gegenstände rannte. Das sei sehr viel besser geworden. Auch haue und trete er kaum noch. “Er begreift inzwischen, dass das anderen genauso weh tut wie ihm, wenn ich ihm das erkläre”, berichtet seine Pflegemama.

Nach wie vor anstrengend ist seine “Frustrationsgrenze, die bei minus 100 liegt”. Da müsse er nur die Socke nicht richtig angezogen bekommen, dann ist das Theater groß. “Da bringt er mich schon auch zur Weißglut”, gesteht Isabel. Das sei manchmal wirklich schwierig auszuhalten. Ihre Strategie: Sie schnappt sich den kleinen Kerl und geht mit ihm und dem Hund, einem dem Kind gut tuenden Labrador, in den Wald. Die Stille und Ruhe der Natur sorgen für den notwendigen Ausgleich und wirkten beruhigend für alle.

Fortschritte macht der inzwischen Vierjährige auch mit seinem stark defizitären Sprachzentrum. “Als er mit knapp drei Jahren zu uns kam, konnte er nur fünf Worte sprechen: “Mama, Papa, Eis, Auto, ja und nein”, berichtet Isabel, “inzwischen redet er wie ein Wasserfall, auch wenn es nicht immer so klappt und Außenstehende Probleme haben ihn zu verstehen, weil er beispielsweise dielen statt spielen sagt.” Ebenso positiv entwickeln sich seine motorischen Fähigkeiten. “Nick konnte die Balance nicht halten und ist oft hingefallen”, erzählt die 30jährige. Er sei zwar immer noch tolpatschig, aber vieles Schwimmen gehen habe ihm sehr geholfen.

Nicht zuletzt entwickle sich langsam, aber dennoch postiv, sein emotionales Empfindungsvermögen. “Nick ist stark traumatisiert durch seine leiblichen Eltern”, sagt die Pflegemutter. Beim Besuchskontakt habe Nick sofort autoaggressiv reagiert. Wenn der Vater hereingekommen war, dann habe Nick mit seinem Kopf gegen die Wand geschlagen. Isabel: “Die darauffolgende Nacht hat er durchgebrüllt.” Insofern sind seine Pflegeeltern froh, dass die leiblichen Eltern inzwischen kein Interesse mehr haben ihren Sohn zu sehen. Es entspannt die sowieso schon herausfordende Pflege und Fürsorge des Jungen.

“Ja”, gibt Isabel zu, “ich habe mich oft überfordert gefühlt und bin es auch noch oft genug.” Wichtig sei, dass man sich das eingestehe, denn es sei menschlich. Und dass man zulasse, das Kind auch mal wegzugeben, damit man verschnaufen könne. “Anfangs hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich ihn zu meiner Mutter gebracht habe. Ich hatte das Gefühl, ich schiebe ihn ab”, gesteht Isabel. Inzwischen hat sich das jedoch gelegt, zumal der Junge sowieso gerne zu seiner Oma geht.

Gut tut den Pflegeeltern obendrein die engagierte Anbindung an den freien Träger “Perspektive” in Dorsten: “Einmal wöchentlich telefonieren wir mit unserer Fachberaterin, einmal im Monat kommt sie zum Hausbesuch.”

Therapeutische Unterstützung für das Kind gibt es ganz selbstverständlich: “Wir haben noch um gar nichts kämpfen müssen”, konstatiert Isabel, wie man es sonst so oft höre und lese. Nick bekomme im additiven Kindergarten Logo, Ergo und Physio, außerdem eine tiefenanalytische Psychotherapie. Demnächst darf Nick auch zum therapeutischen Reiten. “Da freut er sich sehr darauf, das kennt er schon”, weiß seine Pflegemama.

Insgesamt also beste Voraussetzungen, um, so wie es sich das Elternpaar vorgenommen hatte, einem benachteiligten Kind eine Perspektive geben zu können. Dennoch umtreiben Paul und Isabel Sorgen und Ängste: Wird Nick es jemals schaffen, ein einigermaßen eigenständiges Leben zu führen? Wird er einen Job finden, der seinen Neigungen und Talenten entspricht? Wird er imstande sein Beziehungen zu führen?

Der Weg dorthin ist noch weit und steinig. Vor allem krankt es nach Isabel in unserer Gesellschaft daran, dass die Masse der Menschen noch nie vom Fetalen Alkoholsyndrom gehört hat. Das haben Isabel und Paul in ihrem eigenen Umfeld exakt so erlebt. Daraus ergäbe sich zudem, dass viele Menschen gar nicht wüssten, dass ihr Kind unter FAS leide. Das müsse sich dringend ändern, findet Isabel. Und selbst wenn eine Diagnose gestellt sei, würden viele Betroffene nicht darauf hingewiesen, dass diese Kinder einen Anspruch haben auf Pflegegrad und einen Behindertenausweis.

Und noch etwas verärgert Isabel: “Die meisten Personen des öffentlichen Lebens engagieren sich für Kinder in der Dritten Welt. Das ist auch gut und wichtig. Aber auch hier in Deutschland, Europa, den USA, gibt es Probleme. Ich würde mir wünschen, dass die Prominenten ihre Reichweite auch genau für dieses Thema hier nutzen.”

*Namen geändert

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne