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Spielgefährten und Sport ohne Leistungsdruck

“Wer etwas erreichen will, der muss kämpferisch sein”, bringt es Heike Schöffler stellvertretend für alle Eltern mit Kindern, die das Fetale Alkoholsyndrom (FAS) haben, auf den Punkt. Sie weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst ein Kind mit FAS und leitet die Selbsthilfegruppe “FASD Herrenberg” in Baden-Württemberg. Hier hat sie im Laufe der Zeit von all den betroffenen Eltern mitbekommen, dass man sein Recht oft genug sogar nur mit einem Anwalt durchboxen kann.

Das liegt in der Region Herrenberg wie überall daran, dass das FAS nur wenigen Menschen ein wirklicher Begriff ist. Kaum jemand weiß um die Symptome, insbesondere die neurologischen Beeinträchtigungen, die gern als psychologische Verhaltensstörungen diagnosdiziert werden – getreu dem Motto, das wächst sich wieder aus. Im örtlichen Jugendamt bekam Heike Schöffler sogar zu hören, dass FAS eine “Modererscheinung” sei. Eine Schulbegleitung “wegen seelischer Belastung” werde einem Kind mit Autismus zugestanden, einem FAS-Kind nicht, hat Heike Schöffler die bittere Erfahrung machen müssen. Für die engagierte Mutter ein Unding.

Da es bei den 25 Mitgliedern, die Heike Schöffler derzeit in ihrer Kartei gelistet hat, niemanden gibt, der sich nicht permanent im Rechtfertigungsmodus für sein FAS-Kind befindet, tut die Gemeinschaft der Selbsthilfegruppe allen sehr gut. “Hier fühlt sich ein jeder aufgehoben und verstanden”, berichtet Heike Schöffler. Jeder weiß, wie anstrengend die Erziehung eines FAS-Kindes ist. Bei den monatlichen Treffen muss sich deshalb niemand großartig erklären. Hier tauscht man sich aus über die extremen Stimmungsschwankungen der Kinder, die belastenden Wutausbrüche, oder über die Schwierigkeiten Freundschaften zu pflegen. Alle betroffenen Eltern bekommen es am eigenen Leib zu spüren: Mit FAS-Kindern stößt man ständig auf Ablehnung oder Unverständnis.

Von sozialer Isolation sind auch die FAS-Kinder selbst bedroht. Sei es, dass sie im Kindergarten und der Schule von anderen wegen ihres Verhaltens gemieden und nicht nach Hause eingeladen werden. Sei es, dass sie im Sportverein auf Missfallen stoßen, weil sie Schwierigkeiten haben sich an die Regeln zu halten und dem Leistungsdruck nicht standhalten, einem Leistungsdruck, der für andere “völlig normal” ist.

Das Fehlen von Spielkameraden und geeigneter sportlicher Bewegung für ihre Schützlinge hat die Selbsthilfegruppe Herrenberg auf die Idee gebracht, das Projekt “Bewegung ohne Leistungsstress für Kindergarten- und Grundschulkinder mit FAS” aus der Taufe zu heben. Aufgrund persönlicher Kontakte konnte die örtliche Kindersportschule Kiss für dieses Projekt gewonnen werden. Diese steht für eine langfristige und breite motorische Grundlagenausbildung ohne frühe Spezialisierung.

Mit Beginn diesen Jahres wird ca. alle sechs Wochen samstags für zwei Stunden ein fachlich kompetenter Trainer in einer vielseitigen Bewegungslandschaft die Kinder betreuen. Die Eltern treffen sich parallel am selben Ort, besprechen Ihre Themen und sind somit auch greifbar, wenn irgendetwas aus dem Takt gerät.

Das Sportangebot hat noch einen weiteren Aspekt, berichtet Heike Schöffler: “Die Kinder der Sportgruppe lernen sich kennen mit dem Bewusstsein – da sind ja noch andere wie ich. Ich bin nicht allein. Es gibt noch andere, die besonders sind.” Nicht zuletzt bereitet das den Kindern die Möglichkeit, sich unter ihresgleichen auszutauschen.

Möglich geworden sei dieses Projekt, weil die Arbeit der Selbsthilfegruppe FASD Herrenberg über die Selbsthilfeförderung der Krankenkassen gemäß § 20h Sozialgesetzbuch V gefördert wird.

 

Die Selbsthilfegruppe

Wer ist Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe FASD Herrenberg?

Heike Schöffler, mail: fasd-herrenberg@web.de, www.fasd-herrenberg.de

Wann und wo finden die Treffen statt?

Jeden 3. Mittwoch im Monat im Klosterhof Herrenberg, Bronngasse 13, 71083 Herrenberg

Wie sind die Treffen gestaltet?

Heike Schöffler: Zu Beginn erzählt jeder Teilnehmende von dem, was ihn derzeit beschäftigt. Daraus ergeben sich zumeist die Themen des Abends. Im Anschluss überlegen wir gemeinsam, ob wir für bestimmte Fragestellungen Referenten einladen, z.B. zum Pflegegesetz Mitarbeiter der Lebenshilfe oder Mitarbeiter der Adoptionsstelle.

Mit welchen vordringlichsten Problemen rund um das Fetale Alkoholsyndrom haben die Menschen aus Ihrer Gruppe am meisten zu kämpfen?

Heike Schöffler: Mit dem Verhalten der Kinder in der Familie, in der Schule, in der Ausbildung. Mit dem Unverständnis im persönlichen Umfeld von wegen “stellt Euch nicht so an, unsere Kinder hatten auch mal solche Phasen”, oder auch “Ihr seid einfach zu streng” und “die Kinder sind schlecht erzogen”. Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen mit den Lehrern der Schulen, die die Probleme nicht wahrnehmen. Die Eltern fühlen sich von den Behörden (Jugendamt, Agentur für Arbeit) allein gelassen. Die Eltern müssen für alles kämpfen, sei es für den Pflegegrad oder die Schulbegleitung. Auch fehlen Ausbildungsangebote und Wohnformen für Jugendliche und junge Erwachsene.

In welchen Bereichen kann die Selbsthilfegruppe Hilfestellung geben?

Heike Schöffler: Wir als begleitende und erziehende Erwachsene wollen uns gegenseitig unterstützen und Lösungen für Probleme suchen. Wir sammeln Informationen und Material und geben das auf Anfrage weiter.*

Was vor allem fehlt an Unterstützung in Ihrem Einzugsgebiet?

Heike Schöffler: FAS-kompetente Therapeuten der verschiedenen Fachrichtungen, Fachärzte für Diagnostik und weiterführende Begleitung, Freizeitangebote für betroffene Kinder und Jugendliche, Unterstützung und Entlastung für die Eltern.

*Über die Selbsthilfegruppenförderungdie federführend von der AOK-Stuttgart-Böblingen koordiniert wird, ist so z. B. ein Aufklärungsbüchlein entstanden für Eltern, die einen Weg suchen, mit ihrem Kind über dessen Handicaps, hervorgerufen durch das Fetale Alkoholsyndrom, zu sprechen – “Jens rennt” ist sein Titel, geschrieben von Heike Schöffler und illustriert von Christiane Heinrichs.

Autorin: Dagmar Elsen

Doktor Ela hilft mit aufzuklären

Mit Elena Leineweber aus Hamburg haben wir zu unserer großen Freude eine Frauenärztin gewinnen können, die unsere Kampagnenarbeit mit Aufklärungsvideos ergänzen wird. In unregelmäßigen Abständen wird sie erklären, was Alkohol im Körper einer werdenden Mutter macht, was das Fetale Alkoholsyndrom bedeutet, woran man es erkennt, wie es ist, wenn Babys mit Alkoholschäden auf die Welt kommen, nicht zuletzt, warum diese Kampagne so wichtig ist.

Doktor Ela hilft nicht nur bei uns aufzuklären, sie beantwortet auch in ihrem Blog www.dokotor-ela.de viele Fragen, die werdende Mütter und Väter ihr immer wieder stellen, wenn sie ihren Dienst im Hamburger Marienkrankenhaus leistet. Doktor Ela’s Leitmotiv: “Ich liebe Weiterentwicklung und fürchte Stillstand. Neue Herausforderungen und Projekte können mich total mitreißen, insbesondere wenn ich merke, dass sie sinnvoll sind.”

SCHULE – EIN ELENDER KAMPF

Ich bin so froh, nicht mehr in die Schule gehen zu müssen. Die letzten Jahre in der Schule habe ich gehasst. Es war ein einziger, elender Kampf, den ich nicht gewonnen habe. Lange hatte ich geglaubt, dass ich schaffe, was ich mir vorgenommen hatte – einen qualifizierten Abschluss mit Englisch zu machen.

An Ehrgeiz hat es mir nicht gefehlt. Als ich das Abschlusszeugnis der zweisprachigen Montessori-Grundschule in den Händen hielt, war ich noch guter Dinge. Ich hatte ganz ordentliche Noten, sprach fließend Englisch, las sogar lieber englische als deutsche Bücher. Nur beim Schreiben hatte ich Probleme, aber das war im Deutschen genauso.

Tja, dann kam ich nach der Grundschule auf eine öffentliche weiterführende Schule in die Förderstufe. Und das Unglück nahm seinen Lauf. Nicht nur, dass all das Neue, die vielen Schüler, die fremden Lehrer, die vollkommen andere Art des Unterrichts, mich extrem stressten. Hier sollte ich plötzlich alles eigenständig machen. Sie sagten immer, jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Jetzt ticken die Uhren anders. Damit konnte ich gar nichts anfangen.

Ich brauche jemand, der mich ermuntert, auffordert, mir hilft, mir erklärt, mir Hinweise gibt. Auf mich allein gestellt war ich komplett überfordert und hatte bald überhaupt keine Motivation mehr. Ich konnte gar nicht mehr anders als wütend, aggressiv und frech zu sein. Ich konnte nichts dagegen machen. Das ging wie von selbst. Ich konnte mich selbst nicht stoppen. Zuhause bettelte ich immer wieder, nicht mehr in die Schule gehen zu müssen. Es gab unentwegt Gespräche – ich mit den Lehrern, meine Eltern mit den Lehrern, ich mit den Sozialarbeitern, meine Eltern mit den Sozialarbeitern.

Schließlich stand fest: Ich sollte eine besondere Unterstützung bekommen – andere Bücher als die anderen in der Klasse und eine besondere Lehrerin. Mit noch anderen Kindern bildeten wir eine kleine Gruppe zum Lernen und Arbeiten und schrieben kürzere und weniger schwierige Klassenarbeiten. Inklusionsprogramm nannte sich das. Die besondere Unterstützung gab es allerdings nur in den Hauptfächern. Ansonsten wurde ich wie alle anderen behandelt. Und immer wieder die Argumentation, wenn ich nicht konnte wie ich sollte: So sind eben die Anforderungen. Wir haben hier noch 22 andere Kinder. Irgendwann wird er es schon lernen. Er muss nur wollen.

Verdammt nochmal, ich wollte doch. Ich war doch nicht absichtlich unkonzentriert. Ich verstand doch nicht absichtlich nicht, was die Lehrer von mir wollten. Ich verlor doch nicht absichtlich ständig irgendwelche Schulsachen. Ich vergaß doch nicht absichtlich, was ich machen sollte. Ich brachte doch nicht absichtlich alles durcheinander. Absichtlich war ich nur dann böse, wenn ich unter Druck geriet, wenn ich etwas nicht konnte, was von mir verlangt wurde, wenn ich ausgelacht wurde, wenn ich wieder alles vergessen hatte, wenn ich auch nach der dritten Erklärung immer noch nicht verstand, wenn ich mich schämte. Aber selbst diese Absicht konnte ich nicht steuern.

Ich war verzweifelt. Ich schwänzte immer wieder die Schule, suchte meinen Frust zu betäuben und drohte zunehmend auf die schiefe Bahn zu geraten. Die Schulleitung glaubte, ich hätte kriminelle Tendenzen. Sie wollten mich der Schule verweisen. Meine Eltern waren fassungslos. Das, was da alles mit mir passierte, passte nicht zu ihrem liebevollen, fröhlichen und neugierigen Luca der vergangenen Jahre.

Mama erzählt immer wieder gerne die Geschichte, dass sie der Landesschulbehörde gedroht hat, dass sie sich so lange auf die Eingangstreppen des Verwaltungsgebäudes setzt, bis sie zustimmen, ihren Sohn in eine Förderschule schicken zu können. Das wollten die nämlich auf keinen Fall. Die sagten, dass die Politik es wolle, dass möglichst alle Kinder Inklusion bekommen und es Förderschulen irgendwann nicht mehr geben soll.

Um es abzukürzen: Mama saß nicht lange auf der Treppe.

Ich ging dann in die Förderschule und war zunächst tatsächlich froh. In manchem war ich sogar besser als die anderen hier und das war ein gutes Gefühl. Vor allem in Englisch konnte ich glänzen. Das aber nur am Anfang. Weil ich alles wusste. Das wurde langweilig. Und wie. Die lernten Zahlen und Farben und Einkaufen gehen, Kleidungsstücke und solche Sachen. Und die Lehrerin sprach nur Deutsch. Ich rebellierte. Dabei traf ich nicht den richtigen Ton. Ich konnte das selbst nicht stoppen. Die Lehrerin wollte mich nicht mehr unterrichten. Im folgenden Schuljahr hatte ich eine andere Lehrerin. Aber auch die unterrichtete Englisch auf Deutsch und so verlernte ich das Sprechen. Wenigstens das fließende Verstehen auf Englisch ist mir geblieben, weil ich viel englische Musik höre, englische Videos und auch Filme schaue.

Gut für mich war, dass die Klasse in der Förderschule sehr klein war. Und es beruhigte mich, dass die anderen auch alle ihre Probleme hatten. Alle brauchten Unterstützung und besondere Förderung.

Aber dann, dann wurde es immer schlimmer mit dem Vergessen.

Die Ärzte erklärten, dass ich jetzt leider wegen der Pubertät eine schlimme Phase mit dem Gedächtnis habe. Das Gehirn sei sozusagen im Umbau, wie eine Baustelle. Für Jugendliche mit FAS wirke sich das noch schlimmer aus. Ich hatte immer größere Mühe mir Sachen zu merken, die ich lernen sollte. Hatte ich es dann drauf, sollte es am nächsten Tag wiedergeben, war es weg. Manchmal war es auch wieder da. Dann bekam ich gesagt, na also, geht doch, wenn Du es nur willst.

Das regt mich auf. Das hat doch nichts mit Wollen zu tun bei mir. Ich kann mein Wissen einfach nicht abrufen, wenn ich es möchte. Deshalb macht es mir keinen Spaß, theoretische Sachen zu lernen. In der Schule fiel das eben auch am meisten auf. Dann schämte ich mich, wurde wütend und oft aggressiv.

Die Abschlussfeier von der Schule war ein echter Freudentag für mich. Endlich vorbei. Nie wieder Schule. Jedenfalls so schnell nicht. Ich freute mich riesig, dass ich künftig arbeiten gehen würde. Das hatte ich schon bei den verschiedensten Schulpraktika gemerkt, dass das besser für mich war, wenn ich etwas Handwerkliches oder Pflegendes machen durfte.

Autorin: Dagmar Elsen

FAS und Schule

In dieser Frage sind sich alle Experten des Fetalen Alkoholsyndroms (FAS) einig: Durch eine frühzeitige und geeignete Förderung und Begleitung und die richtige Wahl der Schulform kann viel Stress und Frustration bei den Betroffenen vermieden werden. Denn nichts ist für die FAS-Kinder schlimmer, als wenn sie sich aufgrund eines von ihnen empfundenen, übermäßigen Leistungsdrucks überfordert fühlen. Und das passiert auch dann, wenn die FAS-Kinder einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten aufweisen.

Die kognitiven Schäden aufgrund des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft führen dazu, dass die Kinder zum einen nicht in dem verlangten Tempo in der Schule mithalten können. Allein schon ihre Konzentrationsschwierigkeiten hindern sie daran. Zum anderen sind sie nicht ohne weiteres in der Lage, den Anweisungen der Lehrer zu folgen. Auch die Reizüberflutung durch zu große Klassen ist ein wichtiger Punkt. Die Folge: Die FAS-SchülerInnen reagieren mit äußerst negativen, unangemessenen, oft genug hochaggressiven Verhaltensweisen. Immer wieder müssen sich Eltern dieser Kinder anhören: Ihr Kind ist nicht beschulbar.

Vor Vollendung der Kindergartenzeit muss infolgedessen wohl überlegt werden, welche Schulform für das Kind am besten ist. Soll es in eine Regelschule mit oder ohne Inklusion gehen? Ist eine zusätzliche pädagogische Begleitung notwendig? Ist die übliche Förderschule die bessere Variante, oder vielleicht eine Förderschule für geistige Entwicklung? Eine weitere Option ist der Besuch einer anthroposophisch ausgerichteten Privatschule!

Getreu dem Motto “it needs a village to raise a child”, ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich mit den Erziehern der Kindergarteneinrichtung, den behandelnden Ärzten und gegebenenfalls dem Jugendamt zu beraten. 

Leider machen Eltern von FAS-Kindern immer wieder die Erfahrung, dass das staatliche Schulamt darauf ausgerichtet ist, den Inklusionsgedanken voranzutreiben. Das bedeutet, dass darauf geachtet wird, möglichst wenig Kinder für die Förderschule zuzulassen. Dafür sollten sich Eltern keinesfalls vereinnahmen lassen, wenn klar ist, dass ihr Kind mit Inklusion in der Regelschule überfordert wäre.

Ist die Wahl der Schule gefällt, bedeutet das nicht, dass die Eltern sich nun entspannt zurücklehnen könnten. “Bisher wird die Förderung von Schülern mit FASD an Förder- und Regelschulen mehr oder weniger dem Zufall überlassen”, beklagt der Moses-Online-Dienst, der im Sinne von Pflegekindschaft, Adoption und Intergration derlei Themen aufgreift. Das liege daran, dass der Bekanntheitsgrad des Fetalen Alkoholsyndroms selbst bei Lehrkräften an Förderschulen zu gering ist. Aktuelles Wissen werde weder in der Ausbildung noch der Praxis erworben.

Deshalb sind alle Eltern gut beraten, die Lehrer umfassend über FAS an sich und im speziellen über die besonderen Beeinträchtigungen ihres Kindes zu informieren und während der gesamten Schullaufbahn im engen Austausch zu bleiben. “Denn nur das Wissen, dass das Verhalten von Kindern und Jugendlichen mit FASD neurologisch bedingt und nicht böswillig oder eine Folge von Erziehungsfehlern ist, ermöglicht eine fruchtbare Zusammenarbeit und schulischen Erfolg”, weiß auch das FASD-Netzwerk Nordbayern unter der Leitung von Dr. Gisela Bolbecher.

Informationen und Literatur zum Thema:

www.moses-online.de

www.fasd-netz.de

“FASD und Schule – Eine Handreichung zum Umgang mit Schülern mit Fetaler Alkoholspektrumsstörung”, von Anne Schlachtberger, erschienen im Schulz-Kirchner Verlag

Autorin: Dagmar Elsen

HAPPY BABY im Interview mit Bloggerin Anne Heinzig

Für die Stillberaterin und Bloggerin Anne Heinzig aus München ist die Aufklärungskampagne eine Herzensangelegenheit. Sie engagiert sich von Anbeginn unermüdlich als Botschafterin und hat nun auch ein Interview mit uns geführt. Mit diesem, mit Fotos und Verlinkungen macht sie auf tolle Weise auf unsere Kampagne aufmerksam.
Anne Heinzig spricht eine Zielgruppe an, für die es gerade jetzt so außerordentlich wichtig ist zu wissen, weder während der Schwangerschaft noch der Stillzeit Alkohol zu trinken. Networking und Synergien zu schaffen werden zum Erfolg der Kampagne beitragen. Danke Anne!
Mehr über die Stillberaterin Anne und ihren Blog: www.stillberatung-heinzig.de

“Nein, es wächst sich nicht aus!”

Der neun Jahre alte Dennis lacht dem Leben ins Gesicht, ein lustiger Kerl ist er, fröhlich und den Menschen zugetan. Auch ein sehr liebes Kind, sagt seine Mutter. Dennis ist begeisterter Musikfan, er liebt Tiere, vor allem den Familienhund und die Katzen, mit denen er aufwächst, und er beschäftigt sich mit allem, was unter den Begriff Landwirtschaft fällt. Das macht ihn glücklich und froh. Seine Adoptiveltern, die liebt er über die Maßen. “Er braucht viel Liebe und Nähe“, sagen sie. Die geben sie ihm gern. Zumal auch sie ihn über alles lieben.

Eigentlich ist Dennis ein allseits beliebtes Kind. Eigentlich! Wieso eigentlich? Was hat er, das sagen lässt – eigentlich? Man sieht oder merkt ihm nichts an – weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick.

Als seine Mutter Dominique beginnt zu erzählen, tut sie dies in einer Atemlosigigkeit, die schon vermuten lässt, dass sich hier Unglaubliches Bahn bricht. Und so ist es auch. Es ist eine Geschichte, bei der man von einer Fassungslosigkeit in die nächste stürzt.

In Sachen eigenem Kinderwunsch meinte es das Schicksal mit Dominique und ihrem Mann Michael nicht gut. Dominique leidet unter dem PCO-Syndrom. Zahlreiche künstliche Befruchtungen schlugen fehl. Die beiden gaben auf und entschieden, ein Herzenskind zu adoptieren. Der Antrag wurde positiv beschieden.

Als sie beim Jugendamt gefragt wurden, ob es ein Kind von Drogenabhängigen oder von Rauchern sein dürfe, oder auch ein Kind, bei dem bekannt sei, dass die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken habe, lehnten Dominique und ihr Mann dies ab. Das wurde schriftlich festgehalten und unterschrieben. Dass Alkoholgenuss, Drogen und Rauchen schädlich für das ungeborene Lebensei, darüber waresie vom Jugendamt aufgeklärt worden. Die Folgen, das Fetale Alkoholsyndromblieben unerwähnt. Davon hatten die Beiden bis zum Tag der Tage auch noch nie etwas gehört.

Aber zurück zu den Anfängen: “Überglücklich” war das Paarals das Jugendamt ihnen eines Tages, es war gegen Ende 2010, mitteilte: Wir haben einen Jungen für sie. Dennis heißt erist 13 Monate alt, lebt bei einer Pflegefamilie. Dominique und Michael bekamen die Auflage, Dennis langsam kennenzulernen, sich sukzessive einander zu gewöhnen und Nähe aufzubauen. Im Februar 2011 durften sie ihn zu sich nach Hause holen.

Allerdings mit der Auflage des Jugendamtes”, erzählt Dominique, “dass niemand von außerhalb an das Kind herandürfe. Dafür musste sie ihren Beruf aufgeben. Alles drehte sich nur noch um Dennis. “Eineinhalb Jahre lang konnte ich nirgendwo hingehen”, erinnert sich die heute 34jährige noch zu gut.

Fassungslosigkeit 1: Eineinhalb Jahre? So lange? Warum? “Es dauerte so lange, bis wir es geschafft hatten, eine feste Bindung zwischen uns aufzubauen, dass Dennis anfing zu sprechen, dass er Nähe zuließ und Mama und Papa zu uns sagte“, erinnert sich seine Mutter. “Er hat immer nur Fäuste gemacht. Er ist immer zu fremden Leuten gelaufen statt zu uns, auch ster noch”, erinnert sich seine Mutter, ich habe geheult und dachte, ich mache irgend etwas falsch.

Der kleine Junge zeigte sich völlig traumatisiert. Er schrie und schrie und schrie. Zu dieser Zeit glaubten Dominique und ihr Mann noch, das liege an den schrecklichen Umständen. Ihnen war bekannt, dass Dennis’ leibliche Mutter das Kind nach der Geburt zum Kindernotdienst gebracht hatte. Von dort ging es zu ersten Pflegefamilie. Wenige Wochen später wollte die leibliche Mutter ihr Baby wieder haben. Es dauerte nicht lange, und Dennis landete wieder beim Kindernotdienst, bis ihn die nächste Pflegefamilie aufnahm.

Heute wissen es die Adoptiveltern besser: Ständiges Schreienebenso wie die Schwierigkeit Bindungen aufzubauen, spätes Sprechen lernen und das hemmungslose Zutrauen zu fremden Menschen, zumal das alles in der Kombination, sind typische Anzeichen für FAS.

Fassungslosigkeit 2: Es kam der Tag, da Dennis in die Kita kam. Dort war er schnell als das “schwierige Kind” verschrien. Dennis hielt partout die Regeln nicht ein, er kasperte ständig herum, wollte alle Aufmerksamkeit nur auf sich ziehen, hatte Wutanfälle, wenn etwas nicht nach seinem Kopf war, ärgerte die Spielkameraden. “Für die Erzieher war das sehr anstrengend mit ihm”, stellt Dominique klar. Sie waren definitiv überfordert, auch wenn sie sich allergrößte Mühe gaben. Ebenso wie die Eltern zu Hause stellten die Erzieher in der Kita fest, dass Dennis zudem massive Entwicklungsdefizite hatte. Seine Auffassungsgabe funktionierte nur im direkten Blickkontakt. Zusammenhänge erfassen, das konnte er überhaupt nicht. Ungewöhnlich war auch, dass er die Farben nicht lernte.

Dennis bekam therapeutische Unterstützung: Logopädie und Ergotherapie. Es hieß: Das wird noch. Von wegen. In Absprache mit den Adoptiveltern bestellte die Leiterin der Kita Entwicklungstests. Ergebnis: Dennis war mit vier Jahren auf dem Stand eines zweijährigen. Dennis wurde den Kita-Erziehern zur Last. Die waren richtig genervt, berichten seine Eltern. Irgendwann gab ihnen der Kinderarzt ohne weitere Erklärung eine Überweisung nach Leipzig ins Sozialpädiatrische Zentrum.

Fassungslosigkeit 3: “Als ich nach Leipzig kam, war die erste Frage der Ärztin, ob die leibliche Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken habe”, weiß Dominique noch zu gut, “ich verneinte natürlich, denn so war es beim Jugendamt schriftlich festgehalten worden. Uns war lediglich gesagt worden, dass der leibliche Vater Alkoholiker sei, die Mutter unter Schwangerschaftsdepressionen gelitten habe. Die Ärztin wollte das nicht glauben. Dominique: “Ich rief während des Termins meinen Mann an, weil ich schon begann an mir selbst zu zweifeln.” Dominique fühlte sich wie in einem schlechten Film.

Die Ärztin klärte Dominique eingehend über das Fetale Alkoholsyndrom auf. Sie war sich ihrer Diagnose sicher und forderte den Geburtsbericht von Dennis an. “Den durfte sie mir aber nicht zeigen”, berichtet Dominique sichtlich erzürnt. Als die Ärztin kurz in einem Nebenzimmer verschwand, las Dominique schnell den Bericht: “Alkoholbedingte Entzugserscheinungen bei der Geburt” stand da zu lesen.

Fassungslosigkeit 4: Trotz der FAS-Diagnose, die zu einer Feststellung der Schwerbehinderung zu 80 Prozent mit den Merkmalen G*, B* und H* mit Pflegestufe 1 und Pflegegrad 2 führte, müssen sich die Eltern auch heute noch rechtfertigen. Ständig werden wir von anderen dargestellt, als bildeten wir uns das alles nur ein“, klagt die Mutter. Oder es werde gesagt: Das wächst sich noch aus. “Nein, es wächst sich nicht aus”, ruft Dominque empört aus. Selbst wenn man dem Kind körperlich überhaupt nichts ansehe, müsse man die Diagnose der vielen neurologischen Schäden doch nicht ständig anzweifeln, klagt sie.

Anders in der Kita. “Hier haben sie uns spüren lassen, dass sie den Jungen lieber in einem Behindertenkindergarten gesehen hätten”, sagt Dominique. Doch Dominique und Michael konnten sich durchsetzen. Ein nochmaliger Wechsel bevor Dennis eingeschult würde, war auch für die Kita-Leitung nicht zu vertreten. Dennis durfte bleiben. Als es vor zwei Jahren um die Einschulung ging, forderte das Schulamt die Inklusion für ihn in einer Regelschule. “Wir wussten aber, dass er damit völlig überfordert wäre“, sagt Dennis Mutter. Rückendeckung bekamen die Eltern hier vom Sozialpädiatrischen Zentrums in Leipzig und der Kita. Inzwischen besucht Dennis eine Förderschule für geistige Entwicklung.

Fassungslosigkeit 5: Der Vorgang beim Jugendamt hat den Adoptiveltern von Dennis keine Ruhe gelassen. Denn es ist ein Fall, der zum Himmel und nach Rechenschaft schreit. Zum einen, weil das Jugendamt aus ihrer Sicht wider besseres Wissen gehandelt hat. Zum anderen, weil sowohl sie selbst als auch das Kind über Jahre hinweg aufgrund ihres Unwissens großem Leid ausgesetzt und die Auswirkungen des Fetalen Alkoholsyndroms dadurch nur noch verschlimmert worden sind.

Sie wandten sich deshalb an einen Anwalt. Der gab zu Bedenken, dass es bei einer Gerichtsverhandlung auch darum gehen werde, Dennis wieder zurückzugeben. Bei dieser Vorstellung stockt den Adoptiveltern der Atem. Das wollen sie auf gar keinen Fall. Dennis ist und bleibt von ganzem Herzen ihr Sohn. Daran ändert auch die Diagnose FAS nichts. Eine Klage haben sie deshalb ad acta gelegt.

(In Kürze: Das Merkzeichen G* wird Menschen zuerkannt, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Das Merkzeichen B* wird für eine ständige Begleitung zuerkannt. Das Merkzeichen H* bedeutet, dass die Person dauernd fremde Hilfe benötigt, um das Leben auch im alltäglichen meistern zu können. Eingehende Erläuterungen für FAS-Betroffene vgl. Blog “Hilfe für Betroffene” mit dem Titel “Anspruch auf Unterstützung”.)

Autorin: Dagmar Elsen

Neuer Partner Youpila im Action-Modus

Kaum zugesagt, legt die umtriebige Inhaberin der Youpila-Studios in Düsseldorf, Hamburg und bald auch Berlin, Cornelia Dingendorf, leidenschaftlich los. Sie möchte die Kampagne tatkräftig unterstützen, weil sie es als ihre “Pflicht ansieht Aufklärung zu betreiben”, denn Alkohol sei leider gesellschaftsfähiger denn je und so normal wie Kaffee und Wasser. Da Cornelia Dingendorf, selbst Mutter eines Sohnes, in ihren Studios Barre Workout, Pilates und MamaSport anbietet, empfindet sie das als ideale Gelegenheit, Mütter auf das Thema aufmerksam zu machen. Und nicht nur das: Damit wir mit der Kampagne noch mehr und besser aufklären können, unterstützt sie auch monetär und rührt kräftig die Werbetrommel für unsere Spendenaktion “Let’s button for Charity”. Eine große Kiste mit Flyern und Buttons ist deshalb schon unterwegs in die Youpila-Studios.

Wir freuen uns sehr über den neuen Partner Youpila und sagen herzlich Danke schön.

Ullenboom Baby begleitet uns bis 2020

Nicht nur jetzt in der Vorweihnachtszeit, auch das gesamte kommende Jahr möchte uns Ullenboom Baby bei unserer Kampagne begleiten. Jenseits einer monetären Unterstützung will das sympathische Unternehmertrio (siehe Partnerseite) jeden Monat Sachspenden aus ihrer wunderschönen Kollektion zur Verfügung stellen. Die entzückenden Krabbeldecken, Bettschlangen, Stillkissen und vieles mehr werden dazu dienen, Gewinnspiele auf den Weg zu bringen, um dadurch HAPPY BABY NO ALCOHOL gerade in den sozialen Medien bekannter zu machen.

Und wieder einmal sagen wir freudig: Danke schön für die Unterstützung!

Plötzlich die Schockdiagnose

Steht den Kindern nicht schon bei der Geburt ins Gesicht geschrieben, dass sie das Fetale Alkoholsyndrom haben, oder ist dem Arzt nicht bekannt, dass die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat, dann bleiben alkoholbedingte Behinderungen oft genug bis ins Schulalter hinein unerkannt.

Den Kindern und ihren Eltern, sowie allen anderen Menschen in ihrem Umfeld ist zwar bewusst, dass sie beispielsweise Verhaltens- und Lernstörungen haben, manches nicht gut oder gar nicht können so wie andere. Dennoch führen die Kinder jahrelang ein “normales Leben unter normalen Menschen”. Als behindert gelten andere, eben jene, denen man ihr Handicap sofort ansieht oder anmerkt. Und dann kommt der Tag, an dem die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Eltern plötzlich die Schockdiagnose ereilt: Ihr Kind hat das Fetale Alkoholsyndrom (FAS).

Weder Eltern noch ihren Sprößlingen war dieses Krankheitsbild in aller Regel besonders vertraut. Sie betreten ein Neuland, das obendrein sehr komplex und kompliziert ist. Zudem ist FAS eine Diagnose, die das Leben aller Beteiligten für die Zukunft komplett verändert. Ängste und Sorgen beherrschen die Gedanken aller.

Wie bereiten sie die Kinder und Jugendlichen auf die Diagnose vor? Und welche Reaktionen zeigen sie?

Dr. Murafi: Wir führen ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit den Kindern und Jugendlichen, altersgemäß sprachlich angepasst an das Entwicklungsalter und die kognitiven Ressourcen der Betroffenen.

Teilweise nutzen wir dazu auch Videomaterial aus dem Internet, zum Beispiel das Video „Max und das Fetale Alkoholsyndrom (FAS)“https://www.youtube.com/watch?v=zzjxrROycmE.

Die Reaktionen sind zweischneidig. In den meisten Fällen sehen wir auf der einen Seite natürlich emotionale Betroffenheit, gepaart mit dem Gefühl, dass in einer frühen Phase des Lebens etwas schief gegangen ist, dass die Betroffenen keine ausreichende Fürsorge erfahren haben. Dies führt oftmals sowohl zu Kränkungen und Verletzungen, Enttäuschung, Wut und Ärger, als auch zu Schuldgefühlen. Das liegt darin begründet, dass die Kinder meist nicht gut aushalten können, dass andere für sie verantwortlich und sie somit abhängig, hilflos und ohnmächtig waren. Die Folge ist, dass sie das Gefühl haben, dass es nur an ihnen gelegen haben kann, dass die Mutter sie während der Schwangerschaft nicht ausreichend fürsorglich behandelt hat.

Auf der anderen Seite sind viele Kinder auch entlastet. Nach einer späten Diagnose haben die meisten von ihnen lange Jahre sehr mit sich gerungen ihre Defizite zu überwinden. Scham- und Schuldgefühle waren ihre ständigen Begleiter, da sie viele altersgemäße Entwicklungsziele nicht einfach erreichen konnten – zum Beispiel im schulischen Kontext oder durch ihr Verhalten. Dass sie den Ärger und die negative Bewertung ihrer sozialen Umwelt auf sich gezogen haben, gehörte zu ihrem täglichen Brot. Nun endlich erhalten sie erstmalig ein Erklärungsmodell, das für sie eben auch eine entlastende Wirkung hat.

Wie reagieren die Eltern auf die Diagnose?

Dr. MurafiIn den meisten Fällen haben ich in meinem klinischen Kontext mit Adoptiv- und Pflegeeltern zu tun. Diese reagieren zunächst entlastet, da ihnen das neue Verständnis auch die Möglichkeit gibt zu verstehen, warum viele ihrer gut gemeinten und intensiv eingebrachten Hilfestellungen nicht immer ausreichend Wirkung entfalten konnten.

Zumeist dominieren aber Traurigkeit und Verzweiflung die Gefühle. Immerhin wird allen Beteiligten klar, dass ein Teil der entstandenen Probleme hätte verhindert werden können, wenn man gewusst hätte, dass es sich bei den Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten um das Ergebnis neurologischer Schäden handelt.

Darüber hinaus und im besonderen macht den Eltern zu schaffen, dass auch der weitere zu begleitende Weg mit Sicherheit nicht einfach sein wird. Hierbei kommt erschwerend hinzu, dass es für FAS keine einfache spezifische Behandlung gibt. Vielmehr ist es so, dass man lediglich versuchen kann, den komplexen individuellen Anforderungen gerecht zu werden, soweit dies eben möglich ist.

Was kann ihnen helfen mit der Diagnose umzugehen? Was raten Sie den Kindern und Jugendlichen persönlich? Was raten Sie den Eltern?

Dr. Murafi: Allen gemeinsam rate ich die vollständige Akzeptanz der Diagnose. Es ist ganz wichtig, dass mit der Diagnose frühzeitig Frieden geschlossen wird, dass akzeptiert wird, dass es eine Entwicklung gab, die eine solche Erkrankung hervorgerufen hat. Die durchaus nachvollziehbaren emotionalen Betroffenheiten und die sich immer wieder darstellenden Schuldthemen sind am Ende des Tages wenig förderlich für den therapeutischen Verlauf.

Das heißt im Klartext: Alle sollten möglichst pragmatisch mit der Diagnose umgehen. Das bedeutet, individuelle Förderpläne zu erstellen und immer wieder im besonderen die kleinen positiven Schritte der Entwicklung des Schützlings in den Vordergrund zu stellen. Dabei sollte sich natürlich immer angemessen an den Defiziten des Schützlings orientiert werden. Frühzeitiges Erkennen der Defizite ermöglicht frühzeitige Behandlung und damit Schutz vor unnötiger seelischer Qual.

Bei den Kindern und Jugendlichen werde ich oft mit dem Thema konfrontiert, dass sie sich die Frage stellen, ob man ihnen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel aufgrund der Stigmata im Gesicht, das FAS ansehen könne. Hier kann ich zumeist beruhigend auf die Kinder eingehen und ihnen vermitteln, dass dies nur durch Experten erkannt werden kann. Ich kann wirklich beruhigen: Im allgemeinen ist niemand derartig auffällig und könnte durch die soziale Umgebung zugeordnet werden.

Im übrigen ist mir sehr positiv aufgefallen, dass die betroffenen Kinder in Gruppen sehr offen in den Austausch miteinander gehen, oftmals sogar relativ unbefangen einen Umgang mit dem Thema finden, sich gegenseitig befragen, ob man ihnen FAS ansehen kann.

Welche begleitenden Massnahmen halten sie nach der Diagnose und Erstbehandlung für die Betroffenen und ihre Familien für sinnvoll und erforderlich?

Dr. Murafi: Neben den spezifischen Maßnahmen – zum Beispiel bei Aufmerksamkeitsstörungen, motorischer Entwicklungsverzögerung, Sprachentwicklungsverzögerung, Zahnstatus, organischen Problemen (Herz, Niere, Augen, Ohren) etc., den spezifischen pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen – braucht es mit Sicherheit für die gesamte Familie eine gute stabile psychotherapeutische Begleitung auf dem gemeinsamen langen Weg. Psychotherapeutische Unterstützung hilft im besonderen, die immer wieder stark aufkommenden Emotionen, Frustrationen und Rückschläge einzuordnen. Wichtig ist darüber hinaus, dass alle Familienmitglieder gemeinsam auf einen, die positiven Beziehungsaspekte erhaltenden Weg, begleitet werden. Ein solche, vertrauensvolle langfristig angelegte Beziehung, erscheint mir eines der wirklich hilfreichen Interventionen in der Begleitung von Familien mit FAS-Kindern zu sein.

Autorin: Dagmar Elsen

Doktor Ela im Videoclip

Dr. Elena Leineweber, Gynäkologin am Hamburger Marienkrankenhaus, zuvor am Essener Elisabeth-Krankenhaus, bereichert künftig unsere Aufklärungsarbeit tatkräftig mit Video-Clips. In lockerer Abfolge wird sie immer wieder Themen zum Fetalen Alkoholsyndrom aufgreifen und emotional ansprechend im Videoformat erklären und besprechen. Diese Videos werden wir auf unserer Homepage zeigen und sie auf den Social Media-Plattformen posten.

Doktor Ela, wie sie auch gerne firmiert, ist mit Leib und Seele Ärztin. Als Tochter zweier Gynäkologen bekam sie die Leidenschaft quasi in die Wiege gelegt. Schon als Kind nahm sie mit gewichtiger Miene im weißen Arztkittel, den obligaten Arztkoffer neben sich und einem Stethoskop um den Hals, Untersuchungen an Mann und Maus vor.

Das Team von Happy Baby No Alcohol freut sich auf eine engagierte Zusammenarbeit.