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FASD-Beratungszentrum Köln von Anbeginn stark nachgefragt

Immer wieder machen Betroffene des Fetalen Alkoholyndroms und ihre Angehörigen die Erfahrung, dass sie zwar eine fachärztliche Diagnose in den Händen halten und gegebenenfalls auch eine Medikation bekommen haben. Aber nun? Wie soll es weitergehen – zu Hause, in der Schule oder auf der Arbeit, in der Freizeit?

Jetzt sind dringend pädagogische Lösungsansätze gefragt, gibt es den nachhaltigen Wunsch nach unterstützenden Angeboten und das Bedürfnis, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Anlaufstellen, die genau das bieten, sind in Deutschland rar, obwohl der Bedarf enorm ist.

Diese Erfahrung hat auch das FASD Beratungszentrum Köln gemacht. 2015 mit Hilfe der finanziellen Unterstützung einer Stiftung und unter dem Dach der Erziehungshilfe Rheinland gGmbH gegründet, geben sich hier betroffene Eltern und ihre Schützlinge sowie andere Wegbegleiter seitdem die Klinke in die Hand. Der erste vom Fachzentrum initiierte FASD-Fachtag war innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Seitdem wächst das Angebotsspektrum an Arbeitskreisen, Beratungen, Hilfen und Fortbildungen unaufhörlich. Matthias Falke, Leiter des FASD-Fachzentrums, hat dazu einige Fragen beantwortet:

Welches Ihrer Angebote wird am meisten genutzt?

Matthias Falke: Unsere FASD-Arbeitskreise für Pflege- und Adoptiveltern werden sehr nachgefragt und sind ausgebucht (mit Warteliste). Dann bieten wir individuelle Beratungen an zur Pädagogik bei FASD, aber auch Unterstützung bei sozialrechtlichen Fragen oder verweisen auf medizinische Diagnoseeinrichtungen.

Darüber hinaus sind unsere jährlichen FASD-Fachtage ein anerkannter und stark nachgefragten Info-Treffpunkt für Fachkräfte der Jugendhilfe, Betreuende, Mediziner und Pädagogen. Unsere FASD-Fortbildungen für Fachkräfte der Jugendhilfe und Pflegeeltern ziehen immer weitere Kreise: Anfragen kommen nun auch von Schulen, Schulbegleitern und sogar vom Job-Center.

Welches sind die vorwiegenden Themen im Facharbeitskreis?

Matthias Falke: Fragen zur Alltagsgestaltung und –bewältigung. Außerdem besteht das Bedürfnis der Eltern und Betroffenen Strategien zu entwickeln, die aus der Ohnmacht hin zur Selbstwirksamkeit führen. Dabei hat sich als besonders hilfreich unser pädagogisch-therapeutisches Handlungskonzept erwiesen, das in Familien und auch Fachkreisen große Anerkennung findet und zu spürbaren Entlastungen in den Familien führt. Und natürlich geht es um gegenseitigen Austausch zur Entlastung; es wird hier übrigens auch gelacht.

Welches sind die größten Problemfelder der Pflege- und Adoptiveltern?

Matthias Falke: Mangelndes Verständnis und Wertschätzung. FASD als unsichtbare Behinderung ist für Außenstehende leider nicht erkennbar. Und es fehlt Wissen über diese Behinderung. So wird häufig immer noch das FASD-spezifische und auffällige Verhalten der mangelnden Erziehungsfähigkeit der Eltern (z.B. nicht richtig „durchgreifen“ zu können) zugeschrieben oder der „Faulheit“ des Kindes. Das ist natürlich nicht richtig und die Auseinandersetzungen mit Kita, Schule oder Jugendamt belastet Eltern sehr. Wachsen die Kinder dann zu Jugendlichen und junge Erwachsene heran, fehlt es häufig an geeigneten Übergängen in Beruf und Arbeit sowie an Wohnangeboten.

Der Aufklärungsbedarf über das Fetale Alkoholsyndrom ist selbst an Förderschulen sehr groß. Welche Erfahrungen machen Sie in der Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen?

Matthias Falke: Sehr unterschiedliche. Manche (Förder-)Schulen und Kindergärten sind dabei, eine gelingende Pädagogik zu entwickeln und bilden sich fachlich fort. Dort läuft es für Kinder und Eltern gut. Bei anderen wiederum steht Unwissenheit, mangelnde Flexibilität und sich wenig Einlassen können einem gelingenden Miteinander im Weg. Oder gar die Annahme, FASD sei eine Modeerscheinung. Insgesamt ist das Thema Schule häufig schwierig.

Ein völlig unbearbeitetes Feld ist die Ausbildungs- und Berufszeit der Betroffenen. Es gibt keine adäquaten Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebote. Wie könnte Abhilfe geschaffen werden? Sind Sie auf diesem Sektor aktiv?

Matthias Falke: Aus Kindern werden Leute …“ – auch wir wachsen mit unseren Familien/Kindern und stellen fest, dass es im Anschluss nach der Schule große Lücken gibt. Mit viel Mühe und Geduld lassen sich individuelle Übergänge gestalten. Dies kann jedoch keine Lösung auf Dauer sein. Hier werden Strukturen gebraucht, angefangen bei der Reha-Beratung der Arbeitsagenturen, Berufsbildungseinrichtungen bis hin zu Wohneinrichtungen. Die Behindertenhilfe hält solche Strukturen vor und es muss geschaut werden, ob und wie dies auch für junge Menschen mit FASD passen könnte.

Hinzu kommt, dass (mit großer Mühe) erreichte Schulabschlüsse wie mittlere Reife oder gar Abitur – und damit der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt – sich für die Betroffenen als Bumerang erweisen können. Denn mit diesen Bildungsabschlüssen wird automatisch Selbstdisziplin, persönliche Struktur und Selbständigkeit gleichgesetzt. Dies ist bei FASD jedoch nicht der Fall und reguläre Ausbildungsverhältnisse bergen das Risiko einer Sackgasse. Denn die bisherige Betreuung durch Schulbegleitung und/oder Eltern wird mit dem Eintritt ins Arbeitsleben ja nicht plötzlich überflüssig.

Was wäre aus Ihrer Sicht grundsätzlich förderlich, um die Situation der von Alkoholschäden betroffenen Menschen in Deutschland zu ändern? Oder anders gefragt: Woran krankt es in unserem Land?

Matthias Falke: Betroffene wissen eigentlich sehr gut, was sie brauchen – wir müssen nur aufmerksam zuhören! Und dies mit einer persönlichen Haltung, die wir uns alle wünschen:

Anerkennung und Akzeptanz persönlicher Grenzen sowie ein aufmerksamer Blick für individuelle Stärken und Begabungen.

Information und Wissen über die unsichtbare Behinderung FASD sind dabei sehr hilfreich, um Menschen mit FASD gut begleiten zu können. Schulbladen- und Leistungsdenken bergen hingegen große Risiken für die Betroffenen und können zu weiteren Störungen führen.

Weitere Informationen: Fachzentrum für Pflegekinder mit FASD Köln, Erziehungsbüro Rheinland gGmbH, www.fasd-fz-koeln.de

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 2 : Musik-Therapie –

Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.

Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.

Grundsätzliches für jede Therapieplanung

Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!

Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es immer zu verhindern gilt.

Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.

Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird.

Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens auf den Patienten abgestimmt werden.

Musik-Therapie

Musik berührt. Schon im Mutterleib sind Klänge, Vibrationen und Bewegungen die elementarsten Erfahrungen eines Menschen. Die Empfänglichkeit für Rhythmen, Melodien und Harmonien gehören zu den grundlegenden menschlichen Eigenschaften durch das gesamte Leben hindurch. Zum einen hören wir, worauf sich die passive Musiktherapie fokussiert. Zum anderen produzieren wir Musik, woraus sich die aktive Musiktherapie speist. Beide Varianten dienen dazu, zu inneren Ressourcen zu finden und neue Wege innerlich neu zu erleben. Das besondere an Musiktherapien ist außerdem, dass man mittels Musik auch nonverbal kommunizieren, gar mit seinem Gegenüber in einen inneren Austausch treten kann.

Wann macht Musik-Therapie Sinn? 

Annika Rötters: “Als Inhalte für Musiktherapien gelten Entwicklungsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens – alles Bereiche also, die für viele Menschen mit FASD von Bedeutung sind.” Bewährt hat sich die Therapieform zudem bei der Unterstützung der kognitiven Entwicklung. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sie die seelische, geistige und körperliche Gesundheit fördert.

Worauf muss geachtet werden?

Annika Rötters“Wie bei jeder Therapie müssen die Methode und auch der Therapeut zum Patienten passen. Neben der fachlichen Qualifikation des Therapeuten spielt auch das menschliche Erleben der Zusammenarbeit eine wesentliche Rolle für den Therapieerfolg.

Musiktherapeuten sind in der Regel Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten mit abgeschlossener Zusatzausbildung in ‘Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie Musiktherapie’, zudem einer Psychotherapeutenkammer angehörig.”

 

ACHTUNGMusik-Therapien sind nicht von den Krankenkassen anerkannt, so dass die Kosten nicht von diesen übernommen werden müssen.

 

Die Therapie-Serie auf einen Blick:

1. Tiergestützte Therapie

2. Musiktherapie

3. Physiotherapie

4. Ergotherapie

5. Logopädie

6. Motopädie

7. Psychotherapie

8. Ernährungstherapie

9. Neurofeedback

 

Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de

Autorin: Dagmar Elsen

 

 

“Entweder Du funktionierst, oder Du kannst gehen!”

Es lief so gut. Ich ging gerne arbeiten. Ich habe nie unentschuldigt gefehlt. Ganz selten war ich mal unpünktlich. Ich war stolz. Ich freute mich, dass mir nach einem guten halben Jahr in Aussicht gestellt worden war, dass ich mit Beginn des nächsten Jahres auf dem ersten Arbeitsmarkt eine feste Stelle im Pflegeheim bekommen sollte. Dann wäre ich endlich nicht mehr nur ein kleiner Praktikant. Dann wäre ich ein Kollege wie die anderen auf der Station. Ich würde obendrein Geld verdienen, könnte mich selbst finanzieren. Eine tolle Vorstellung, die mich wirklich glücklich machte.

Und auf einmal – ist alles anders.

Plötzlich beschwert man sich über mich, ich sei überfordert, die Stundenzahl müsse von acht wieder auf sechs reduziert werden. Das verbreitet sogar meine Vertrauensperson über mich, hinter meinem Rücken, sie, mit der ich alles rund um meinen Job besprechen, die mich unterstützen soll. Zu mir aber sagt sie ständig, dass ich tolle Arbeit mache und alles in Ordnung sei. Was für eine falsche Schlange. Plötzlich werden Absprachen, die zwischen der Pflegedienstleitung, der Leiterin der Q+B-Maßnahme*, meinem Bezugsbetreuer, meiner Mutter und mir getroffen worden waren, nicht mehr eingehalten.

Ich habe immer Arbeitsblätter bekommen, auf denen drauf stand, welche Aufgaben ich alle bis zum Mittag machen muss. Die habe ich abgehakt, so dass ein strukturierter Ablauf für mich gut möglich war. Jetzt steht da nur noch drauf: Brille aufsetzen und Schlüssel abgeben. Ich sollte während meiner Tätigkeiten auch nicht ständig von anderen aufgefordert werden, mal eben schnell etwas anderes zu erledigen. Das ist Gift für mich, weil es mich aus dem Rhythmus bringt und ich dann nicht immer gleich wieder weiß, was ich vorher gemacht habe. Für meine Arbeit am Nachmittag war eigentlich vorgesehen, dass ich mehr Freizeitaktivitäten mit den Patienten mache. Statt dessen lassen die mich leer laufen, so dass ich rumgammeln muss, weil keiner da ist und mir sagt, was ich tun soll. Und dann beschweren sie sich über mich, ich sei faul und würde mich vor der Arbeit drücken.

Diese Geschehnisse und einige mehr haben mir mehr und mehr das Gefühl gegeben, dass die nach Gründen suchen mich loszuwerden. Aber warum bloß auf einmal? Inzwischen weiß ich es: Die Pflegedienstleiterin hat gewechselt. Die neue hat im Gegensatz zu der vorher mit FAS nichts am Hut. Die winkt ab und findet die Maßnahmen und Absprachen, damit ich meine Arbeit gut machen kann, völlig überspannt. Ihre Einstellung ist: “Entweder Du funktionierst, oder Du kannst gehen!”

Ich bin traurig. Und ich bin wütend. Das alles macht mir schwer zu schaffen. Meine Motivation ist weg, total. Morgens beim Aufstehen ist es besonders schlimm. Ich fühle mich bleiern. Heute morgen wollte ich nicht arbeiten gehen. Ich wollte überhaupt nie mehr einen Fuß in dieses blöde Pflegeheim setzen. Die wollen mich ja doch nicht mehr. Ich habe mich richtig heftig geweigert, habe auf Tunnel geschaltet. Ich war froh, als ich durch die Tür hörte, dass ich den Bus verpasst habe. Aber meine Mama hat dann mit mir geredet und gesagt, dass sie mich absolut verstehe, dass es ihr in einer solchen Situation nicht anders gehen würde. Aber ich solle doch mal überlegen, dass ich denen in die Hände spielen würde, wenn ich jetzt die Arbeit verweigern würde. Dann hätten sie noch einen Grund mehr mich schlecht zu reden. Besser wäre es, ich würde hoch erhobenen Hauptes und ordentlich meine Arbeit weiter machen, bis wir eine Lösung gefunden haben. Das sei schwer, absolut. Aber dann, dann müssten die mir im Pflegeheim auch ein gutes Zeugnis ausstellen. Ich weiß, das ist wichtig, wenn ich mich woanders bewerben möchte. Das hat mich überzeugt. Ich habe es ihr dann fest versprochen. Ich tue meine Arbeit weiterhin. Aber ich bin nicht mehr fröhlich dabei.

P.S. Es schockiert mich immer wieder, dass so viele Menschen das Fetale Alkoholsyndrom abtun, als wäre es eine eingebildete Macke. Es ist ja nicht so, dass die neue Pflegedienstleiterin nicht darüber aufgeklärt worden wäre. Die vorherige kannte sich damit zunächst auch nicht aus, aber sie war offen dafür und interessiert mich zu unterstützen. Nach einer Anlaufphase mit einigen Schwierigkeiten hat auch alles recht gut geklappt. Bei so wahnsinnig vielen Menschen**, die genau solche oder ähnliche Probleme im Alltag haben wie ich, kann es doch nicht sein, dass es von einer einzelnen Person abhängt, ob es Betroffenen wie mir gut geht oder eben nicht.

Und wenn ich das richtig verstanden habe mit dieser Q+B-Maßnahme, dann nehmen die Unternehmen freiwillig daran teil und übernehmen somit Verantwortung. Ich bin doch nicht einfach nur eine billige Arbeitskraft. Außerdem geht es doch darum, dass ich zwar keine Ausbildung machen kann, aber sehr wohl eine gute Arbeit, wenn man mich ein bisschen anders arbeiten lässt als die anderen.

*Q+B-Maßnahme: In vielen Bundesländern in Deutschland wird die “Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung der Armut und jeglicher Diskriminierung” (Art. 9 Abs. 1 Nr. 9 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013) in Anspruch genommen. Im Vordergrund steht die Erweiterung des Berufswahlspektrums für eine Ausbildung oder Arbeit. Das heißt im Klartext, dass den Probanden die Möglichkeit gegeben wird, die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu erkennen, indem verschiedene Berufsfelder im zumutbaren Modus erprobt werden können. Das Gute ist, dass die Stabilisierung der Persönlichkeit der Q+B-Teilnehmer intensiv sozialpädagogisch begleitet wird. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, die Maßnahme sehr individuell zu gestalten. Dies hinsichtlich der zeitlichen sowie der mentalen Belastbarkeit und auch der Entscheidung, wann und ob ein berufsschulbildender Einsatz Sinn macht.

**Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen geht von 1,5 Millionen Betroffenen aus

Aufgeschrieben von Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

 

Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 1 : Tiergestützte Therapie –

Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.

Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.

Grundsätzliches für jede Therapieplanung

Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!

Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es immer zu verhindern gilt.

Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – und nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.

Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird.

Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens auf den Patienten abgestimmt werden.”

Die tiergestützte Therapie

Bei der tiergestützten Therapie werden vor allem Hunde und Pferde eingesetzt. Darüber hinaus gibt es Konzepte mit Katzen, Lamas, Delfinen und Reptilien. Allen gemein ist, dass die Kinder und Jugendlichen positive emotionale und körperliche Erfahrungen machen – durch Nähe und Wärme sowie die bedingungslose Anerkennung und Zuneigung des Tieres. “In der Therapie fungieren Mensch und Tier als Einheit – so können im therapeutischen Setting Erlebnisse stattfinden, die ein Patient (aktuell) nicht im sozialen Miteinander mit anderen Menschen herstellen kann”, erläutert die Psychologin. Die heilende Wirkung von Tieren alleine sei dabei nicht bewiesen. Es handele sich um eine alternativmedizinische Maßnahme, bei der unbedingt darauf zu achten sei, dass es sich bei dem Therapeuten um eine Fachperson mit einschlägiger Fortbildung zum tiergestützten Therapeuten handelt, sowie bei dem jeweiligen Tier um ein ausgebildetes (geprüftes und zugelassenes) Therapietier.

Wann macht tiergestützte Therapie Sinn?

Annika Rötters: “Sie wird oft bei Sprachbarrieren empfohlen. Wenn kaum oder keine verbale Kommunikation möglich ist, können über tiergestützte Therapien Fortschritte erzielt werden. Dennoch ist darauf zu achten, dass bei der tiergestützen Therapie zu keinem Zeitpunkt weder das Leben des Therapietieres, noch das des Patienten riskiert werden.”

Reittherapie (Hippotherapie)

Die Reittherapie oder auch Hippotherapie ist eine spezielle Form des therapeutischen Reitens und wird der tiergestützten Therapie zugeordnet. Da sie beim Schritt-Reiten in erster Linie die Muskulatur stabilisieren und den Muskeltonus positiv beeinflussen soll, wird die Hippotherapie der Krankengymnastik zugeordnet. Sie zählt zu dem Bereich Krankengymnastik. Ein weiterer Therapieinhalt liegt jedoch bei der Versorgung und Pflege des Tieres.

Allgemein positiver emotionaler Nebeneffekt: Die Betroffenen werden häufig ruhiger und konzentrierter. Auch das Selbstwertgefühl steigt.

Wann macht Hippotherapie Sinn?

Annika Rötters: “Hippotherapie ist vor allem dann sinnvoll, wenn die motorischen Funktionen beeinträchtigt sind. Vor Therapiebeginn unbedingt mit Ärzten/Physiotherapeuten Rücksprache halten. Bei vorherigem tierquälendem Verhalten seitens des Patienten ist dieses unbedingt im Vorfeld anzusprechen und mit dem Therapeuten gemeinsam zu überlegen, ob und in welcher Form therapeutisches Reiten geeignet ist.”

ACHTUNG: Bei jeder tiergestützten Therapie im Vorfeld abklären, ob eine Tierhaarallergie besteht. Auch bei Asthma, schweren Formen von Neurodermitis, MRSA (multiresistente Erreger) und Immunschwäche sollte von einer derartigen Therapie Abstand genommen werden.

ACHTUNG: Die tiergestützte Therapien sind leider nicht von den Krankenkassen anerkannt, so dass die Kosten nicht von diesen übernommen werden müssen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB §35a gibt es in Einzelfällen die Möglichkeit, dass die Kosten auf Antrag übernommen werden. Voraussetzung ist, dass die tiergestützte Therapie in eine heilpädagogische Förderung eingebunden ist.

 

Die Therapie-Serie auf einen Blick:

1. Tiergestützte Therapie

2. Musiktherapie

3. Physiotherapie

4. Ergotherapie

5. Logopädie

6. Motopädie

7. Psychotherapie

8. Ernährungstherapie

9. Neurofeedback

Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de

Autorin: Dagmar Elsen

‘Mädelsabende’ interviewt unsere Botschafterin Melissa

Die Grimme-Preis-gekrönte kleine Schwester von ‘FrauTV’ des Senders WDR, ‘Mädelsabende’, hat nun auch das Thema Alkohol in der Schwangerschaft unter die Lupe genommen. Dazu haben sie unsere Botschafterin Melissa interviewt, die vom Fetalen Alkoholsyndrom betroffen ist und die Diagnose erst spät bekam. Die beeindruckende Offenheit der 19jährigen Melissa hat bei der ‘Mädelsabende’-Fangemeinde nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Die Kommentare dazu – ungezählt.

Die Auswertung der Kommentare ergibt auch hier wieder, wie weit verbreitet der Irrglaube vorherrscht, dass “ein Gläschen schon nichts schadet”. Und wie froh Betroffene des Fetalen Alkoholsyndrom sind, dass das Thema öffentlich diskutiert wird, denn bei ihnen handelt sich alles andere als nur um eine unbedeutende Randgruppe unserer Gesellschaft.

Melissa hatte natürlich auch uns ihre Geschichte erzählt, die zu lesen ist in unserem Blog ‘FAS – authentisch’ : https://www.happy-baby-no-alcohol.de/2019/06/17/aufgeben-ist-keine-option/

 

Aufgeben ist keine Option

Zwei Monate wären es nur noch gewesen, dann hätte sie das erste Lehrjahr für ihre Ausbildung zur Schreinerin geschafft gehabt. Eigentlich schwingt da Stolz in ihrer Stimme mit, als sie das erzählt. Denn für Melissa aus Köln ist es keine Selbstverständlichkeit so weit gekommen zu sein. Sie ist mit dem Fetalen Alkoholsyndrom auf die Welt gekommen, dessen Auswirkungen sie in vielerelei Hinsicht behindern. Die 19jährige kann die Konzentration und Aufmerksamkeit nicht lange halten, sie hat kein Zeitgefühl, kann ihre Impulse nur schlecht regulieren und ihre Wahrnehmung ist eine andere als die anderer Menschen. Das führte in ihrer Ausbildung dazu, dass sie oft unpünktlich war, entweder zum Arbeitsantritt oder auch von den Pausen zu spät zurückkehrte. Sie brauchte mehr Pausen als die Kollegen, war nicht gleichermaßen belastbar. Melissa kann nur vier bis sechs Stunden volle Leistung bringen, nicht volle acht Stunden.

Ein dicker Dorn im Auge des Chefs. “Der hat mir immer gesagt, ich verarsche alle, ich hätte bloß keinen Bock zu arbeiten”, beklagt sich Melissa, “dabei mache ich das doch wirklich nicht extra, ich vergesse einfach die Zeit.” Falsche Unterstellungen machen wütend auf Dauer, ein Wort gibt das andere und das ist nicht immer passend. Das Ende der Schreinerlehre folgte kurz und schmerzvoll. “Dabei haben alle immer gesagt, dass das, was ich arbeite, sehr gut ist”, berichtet die 19jährige bekümmert. An ihren handwerklichen Fähigkeiten habe es nie Zweifel gegeben. Und da keimt er wieder auf, der Stolz. Der Stolz auf ihre unbestrittenen Fähigkeiten und der Stolz darauf, wie weit sie trotz ihres persönlichen Leidensweges gekommen ist.

Geboren von einer damals 19 Jahre alten Mutter, die bis heute stur und steif behaupte, in der Schwangerschaft nur zu Silverster ein Glas Sekt getrunken zu haben. “Ich bin am 14. Januar geboren, das kann gar nicht sein”, sagt Melissa. Schließlich hat die 19jährige noch viel mehr Beeinträchtigungen. “Ich lebe in einer Schwarz-Weiß-Welt”, erläutert sie. Sie könne sich nicht in andere einfühlen, nicht vorstellen, wie und was andere Menschen empfinden, wie sie die Welt wahrnehmen. Auch der Umgang mit ihren eigenen Gefühlen fällt ihr schwer. “Ich kann nicht zeigen, wenn ich mich freue jemanden zu sehen”, sagt sie. Menschen um sich herum kann sie nur bedingt ertragen. Melissa hat generell Probleme mit dem Erkennen logischer Zusammenhänge. Manche Dinge kann sich gut merken, andere sind schnell wieder weg. Sie benötigt Unterstützung deshalb in der Ausbildung und bei der Arbeit genauso wie bei der Bewältigung des Alltags. Hier Struktur hineinzubekommen, das schafft sie nicht allein. Hunger- und Durstgefühle, das sind bei ihr keine natürlich ausgeprägten Bedürfnisse.

Trotz der Vielzahl der richtungsweisenden Handicaps – die Diagnose des Fetalen Alkoholsyndroms bekam Melissa erst vor drei Jahren, nachdem sie vorübergehend in einer Erziehungsstelle betreut werden musste. Dort gab es entscheidenden Impuls. “Anfangs war es erst einmal ein Schock”, gesteht die 19jährige, “aber dann war es auch eine Erleichterung.” Endlich gab es eine Ursache, eine Erklärung, eine Entschuldigung. Melissa kehrte zu ihrer ursprünglichen Pflegefamilie zurück, bei der sie dank der Diagnose auch weiterhin wohnen bleiben kann. Darüber ist die die junge Frau froh. Hier fühlt sie sich wohl, sie empfindet ihre Eltern und die beiden älteren Brüder als eigene Familie. Kontinuität und Sicherheit spielen für Melissa eine wesentliche Rolle, war sie doch gleich nach der Geburt in wechselnder Obhut, da ihre Mutter sie behandelte “wie ein Spielzeug”. Mit 15 Monaten schließlich nahm ihre heutige Pflegefamilie Melissa auf.

Auch Melissa’s weiterer Lebensweg mit Ablehnung, Ausgrenzung in der Schule, ständiger Überforderung, dem Fehlen von echten Freundschaften, war steinig. Dennoch schaffte Melissa den Hauptschulabschluss und fand über das Berufsbildungswerk eine Lehrstelle. Und eigentlich wäre ihrer Auffassung nach alles gut, würde der Ausbilder das Fetale Alkoholsyndrom genauso akzeptieren wie Autismus oder den Behinderten im Rollstuhl. “Da zweifelt keiner an, dass die nicht länger als vier bis sechs Stunden arbeiten können. Bei mir aber schon”, erregt sich Melissa.

Dennoch, aufgeben ist für die junge Frau keine Option. Zu stark der Traum als Schreinerin zu arbeiten und in einer eigenen kleinen Wohnung mit einer Katze zu leben. Melissa muss jetzt nur noch einen Schreiner finden, der bereit ist, sich auf die Thematik des Fetalen Alkoholsyndroms einzulassen. Handwerklich fühlt sich Melissa jedenfalls über jeden Zweifel erhaben. Gefragt nach ihren Wünschen im Umgang mit dem Fetalen Alkoholsyndrom sagt Melissa: “Ich wünsche mir mehr Verständnis, mehr Aufklärung, mehr Unterstützung hinsichtlich Ausbildung und Arbeit. Aber ich wünsche mir auch Menschen an meiner Seite, die mir im täglichen Leben helfen mit der Wohnung, beim Einkaufen, mich aber auch bei Freizeitaktivitäten unterstützen. Es wäre schön, wenn da mal einer ist, der auch mal sagt ‘hey, das hast Du aber gut gemacht, vielleicht kannst Du es noch ein bisschen besser machen, aber das schaffen wir in kleinen Schritten’. Und ich wünsche mir, dass ich so akzeptiert werde, wie ich bin. So wie das meine Pflegefamilie tut.”

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

Paten – für die Kinder geliebte Bezugsperson, für gestresste Eltern Entlastung

“Unsere Tochter Mimi* hat ein sehr sehr hohes Energielevel, welches uns sehr häufig an unsere Grenzen bringt”, erzählt Pflegemutter Sarah*. Der kleine, vier Jahre alte Unruhegeist hat im vergangenen Jahr das Fetale Alkoholsyndrom diagnosdiziert bekommen, fordert von seinen Eltern permanente Aufmerksamkeit. An manchen Tagen brennen denn auch schon eine Stunde nach dem Aufstehen alle Lichter im Kopf der gestressten Eltern. Der dringende Wunsch nach “Entlastung und Zeit für uns” führte Sarah zu “Patenkinder Berlin”, einem Angebot der in der Hauptstadt ansässigen Familien für Kinder gGmbH.

Das Projekt „Patenkinder Berlin“ richtet sich grundsätzlich an alle Kinder, die einen Pflegegrad haben. Ein Großteil sind jedoch Pflegekinder. “Die ursprüngliche Idee war der Wunsch Pflegeeltern zu entlasten, die oft von der anstrengenden Erziehungsarbeit mit den Pflegekindern berichteten und darüber, dass unvorbereitete Betreuungspersonen völlig überfordert sind und oft nicht wiederkommen”, weiß Jutta Ringel, Sozialpädagogin und zuständig für die Projektkoordination bei “Patenkinder Berlin”. Außerdem tun sich Pflegekinder erfahrungsgemäß schwerer Freundschaften zu schließen. “Pat*innen sollen konstante Bezugspersonen sein, mit denen die Kinder verschiedene Freizeitaktivitäten machen können und die sich ihnen einmal in der Woche Eins-zu-eins widmen, was Eltern ja aufgrund ihrer zahlreichen anderen Aufgaben nicht permanent leisten können”, erläutert die Fachfrau.

Kontinuität ist auch für Sarah ein wichtiger Aspekt, sowie vollständiges Vertrauen. Sarah ist es wichtig, dass die Bezugsperson Lust hat sich auf ihre Tochter einzustellen, sich mit ihren besonderen Eigenschaften auseinandersetzt, Mimi’s Stärken erkennt und nutzt und ihr die Welt zeigt. Die Wahl fiel hier auf eine junge Medizinstudentin, die, so Sarah’s Beschreibung, sehr sportlich, vielseitig interessiert und so lebensfroh ist, dass sie alle damit ansteckt. “Mimi ist zwar noch zu jung, um der Patenschaft eine Bedeutung beizumessen”, sagt Sarah. Wichtig sei aber letztlich, dass Mimi eine Spielkameradin habe, die ihr die heiß geliebte Eins-zu-eins-Betreuung schenke.

Von freudigen Kindern, die kaum erwarten können, dass es endlich losgeht, weiß auch Jutta Ringel zu berichten. Die Tatsache, dass jemand regelmäßig zu ihnen komme und sich ausschließlich nur ihnen widme – ohne nebenbei noch schnell die Spülmaschine auszuräumen – erlebten die Kinder als etwas Besonderes. Die Sozialpädagogin: “Für Pflegekinder sind Patenschaften auch oft eine Möglichkeit zu üben, wie man positive Beziehungen eingeht bzw. wie man Freundschaften knüpft. Dass man sich streiten und sich beim nächsten Treffen aussprechen kann und dass eine Freundschaft nicht zu Ende ist, nur weil man sich nicht einig oder wütend auf den anderen ist.”

Das Fetale Alkoholsyndrom ist ein Thema, das allein durch sein hohes Aufkommen zunehmend an Bedeutung gewinnt. 10.000 Babys jährlich kommen mit Alkoholschäden auf die Welt. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen geht von einer Dunkelziffer von 1,5 Millionen Betroffenen aus, da oft genug unerkannt oder falsch oder nur teilsymptomatisch diagnostiziert (sprich Autismus, ADHS). Wie sind hier die Erfahrungen bei Patenkinder Berlin?

Jutta Ringel: Fast die Hälfte der Patenkinder im Projekt hat die Diagnose FAS. Einige Pflegeeltern berichten, dass es ein sehr langer Weg war, bis die Diagnose tatsächlich bestätigt wurde. Ich weiß von einem Mädchen, die schon 11 Jahre war, als sie die Diagnose FAS bekam.

Für Pflegeeltern ist es, glaube ich, meistens erstmal ein Schock zu erfahren: mein Pflegekind hat FAS. Später dann im Alltag ist das Wissen um FAS eine Erleichterung, weil das mitunter auffällige Verhalten der Kinder und auch die Entwicklungsverzögerungen dann eine schlüssige Erklärung haben. Die Menschen in der Umgebung der Familie reagieren auch verständnisvoller, wenn es eine diagnostizierte Krankheit oder Behinderung gibt.

Für die Patenschaften ist es meiner Meinung nach nicht so relevant, dass die Kinder diagnostiziert sind. Hier geht es ausschließlich um Freizeitgestaltung. Die Kinder müssen weder etwas leisten noch funktionieren. Sie können in ihrem Tempo die Sachen machen, an denen sie Spaß haben, egal ob mit oder ohne Diagnose.

Werden die Pat*innen auf Kinder mit Handicaps, im speziellen auch auf das Fetale Alkoholsyndrom, vorbereitet?

Jutta Ringel: Wir haben verschiedene Seminare, mit denen wir die Ehrenamtlichen auf die Patenschaften vorbereiten bzw. die begleitend stattfinden. Dort geht es immer wieder um die Vorgeschichte der Kinder, verschiedene Krankheitsbilder und welches Verhalten daraus resultieren kann. Dazu haben wir eine regelmäßig stattfindende Intervisionsgruppe, wo wir immer wieder aktuelle Themen aufgreifen und gemeinsam bearbeiten. In diesem Kontext war auch das Thema FAS schon mehrfach aktuell. Wir arbeiten mit dem FAS-Methodenkoffer in der Gruppe und in Einzelgesprächen mit den Ehrenamtlichen. Der Koffer ist zwar eher für Betroffene und ihre Eltern konzipiert, aber auch in der Rolle als Ehrenamtliche kann man viele nützliche Ideen für Lösungen bekommen.

Kinder mit dem Fetalen Alkoholsyndrom sagen von sich selbst: Wir sind nochmal anders als anders – Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen?

Jutta Ringel: In den Vorgesprächen erlebe ich diese Kinder meist als sehr lebendig und auch chaotisch. Sie spielen sich in einer Stunde durch 20 verschiedene Spielmöglichkeiten und sind ständig in Bewegung. Da bekomme ich eine Idee davon, wie anstrengend der Alltag mit einem Kind sein kann, dass ein Fetales Alkoholsyndrom hat. Die Geschichten der Pflegeeltern bestätigen das auch. Die Kontakte mit den Pat*innen laufen in der Regel aber gut. Ich denke das liegt daran, dass sie sich für die Stunden, die sie mit dem Kind verbringen, voll auf das Kind fokussieren. Die emotionalen Beziehungen zwischen den Ehrenamtlichen und den Kindern sind meist stabil und die Rückmeldungen der Ehrenamtlichen positiv.

Es gibt natürlich auch schwierige Situationen, wenn Kinder aggressive Ausfälle haben und bei Ausflügen das Kind z. B. mit Stöcken oder Steinen wirft. Dann versuchen wir im Einzelgespräch zu klären, welche Handlungsmöglichkeiten die Ehrenamtlichen haben, um mit der Situation gut umzugehen.

 

Wenn man eine Patenschaft übernehmen möchte …..

Jutta Ringel: Wir führen mit allen Ehrenamtlichen ein Einzelgespräch, um ihre Eignung zu überprüfen und ihr Profil herauszuarbeiten. Dafür füllen die Ehrenamtlichen auch Fragebögen aus. Für uns ist beispielsweise wichtig, dass die Pat*innen verlässlich sind, dass sie sich auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen können und dass sie in der Lage sind eine positive Beziehung zu knüpfen, denn Patenschaften sind besonders am Anfang anstrengende Beziehungsarbeit. Wir finden es wichtig, dass die Ehrenamtlichen selbst gut vernetzt sind, das sie ihre Freizeit aktiv verbringen und eigene Hobbys haben.

Die Motivationen der Ehrenamtlichen sind sehr unterschiedlich. Oft steht der Wunsch, ein Kind ins Leben zu begleiten und als Bezugsperson für das Kind ansprechbar zu sein im Vordergrund. Manche Ehrenamtliche freuen sich darauf, Ausflüge zu unternehmen oder Dinge zu erleben, die man als erwachsener Mensch ohne Kinder nicht erlebt. Weil es sowieso immer ganze Motivationsbündel gibt, die die Ehrenamtlichen antreiben, haben wir da keine Vorgaben. Gut ist es, wenn die Vorstellungen von der Patenschaft möglichst offen sind. Dann kann sich die Patenschaft kreativer entwickeln und es bleibt mehr Raum für die Ideen und Wünsche der Kinder.

https://www.patenkinder-berlin.de

Infoline: 030/ 21 00 21 28

*Namen geändert

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

“Mehr Bewusstsein für das Syndrom schaffen”

Nach offiziellen Angaben der bundesdeutschen Drogenbeauftragten beläuft sich die Zahl der vom Fetalen Alkoholsyndrom Betroffenen im Jahr 2018 auf nunmehr 300.000. Für die Dunkelziffer geht die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen von 1,5 Millionen aus. Jedes Jahr kommen in Deutschland wieder 10.000 Babys mit Alkoholschäden auf die Welt. Trotz des hohen Aufkommens ist das Syndrom auch unter Ärzten und Therapeuten wenig bekannt. Entsprechende Diagnosen werden deshalb oft erst im fortgeschrittenen Schulalter gestellt, nachdem die Eltern oder betreuenden Personen mit ihren Schützlingen bereits eine wahre Ärzte- und Therapeuten-Odyssee hinter sich haben.

KinderärztinDozentin für Pädiatrie und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in spe, Dr. Nikola Klün aus München, die nicht zuletzt auch engagierte Botschafterin der Kampagne ‘Happy Baby No Alcohol‘ isthat zu dieser Thematik einige Fragen beantwortet:

In welchem Umfang ist das Fetale Alkoholsyndrom während Deines Medizinstudiums thematisiert worden?

Dr. Nikola Klün: Im Rahmen des Pädiatrie Semesterhaben wir das Syndrom in einer Vorlesung gemeinsam mit anderen Fehlbildungen kennengelernt. Leider hat das Studium den Anspruch, einmal die ganze Humanmedizin zu lehren, sodass unsere Ausbildung sehr breitgefächert ist, aber nur jedes Thema einmal kurz berühren kann. Es wird von den Studenten erwartet, dass sie sich in ihren jeweiligen Fachrichtungen während und nach dem Studium selber weiterbilden. Das zu forcieren habe ich mir jetzt vorgenommen. Ich habe das Fetale Alkoholsyndrom in meinen Lehrplan für Pädiatrie an der Münchener Physiotherapieschule aufgenommen.

Wann bist Du persönlich auf das Fetale Alkoholsyndrom und seine Dramatik aufmerksam geworden?

Dr. Nikola Klün: Im Rahmen meiner Tätigkeit auf der neonatalen Intensivstation ist mir das Syndrom ganz am Rande begegnet, im Rahmen meiner Tätigkeit auf pädiatrischen Stationen hatte ich keinerlei Kontakt mit der Diagnose. Die Dramatik und Häufigkeit wurde mir das erste Mal bewusst, als ich die Initiative ‘Happy Baby NAlcohol‘ kennenlernte und begann, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen.

Adoptiv- und Pflegefamilien berichten immer wieder, dass in Geburts- und Arztberichten selten noch nicht einmal der Verdacht auf Alkoholschäden formuliert ist, obwohl diverse Symptome darauf hinweisen würden. Dies ist oft genug sogar dann der Fall, obwohl bekannt ist, dass die Mutter in der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat. Wie lässt sich das erklären?

Dr. Nikola Klün: Ich vermute, dass die Kinder und Babys durch das System rutschen. Die Diagnose ist nicht leicht zu stellen, erfordert Expertise in der Thematik, erfordert das Wissen um die wenigen Spezialambulanzen und die Überweisung an diese bei Verdachtsmomenten. Was ich als Arzt nicht kenne, kann ich auch nicht diagnostizieren. Die Diagnose selbst zu stellen, erfordert außerdem mehr Zeit als in der üblichen Kinderarztpraxis pro Patienten der Regel verfügbar ist. Das liegt natürlich nicht nur an den Kinderärztensondern auch an der Politik; generell sind die Kinderarztpraxen in Deutschland überlaufen und die Kinderärzte sehen an die 80 Patienten pro Tag.

Im Mutterleib durch Alkohol geschädigte Babys kommen häufig als Frühchen zur Welt, zumindest körperlich unterentwickelt. Sollte hier nicht generell der Ethylglucuronid-Wert gemessen werden?

Dr. Nikola Klün: Wir wissen, dass die Angaben von mütterlichem Alkoholkonsum oft nicht zu verwerten sind. Der Ethylglucuronid-Wert als direkter Alkoholabbau-Paramter macht eine Aussagekraft hinsichtlich der Abstinenz der Mutter. Allerdings werden Gelegenheitstrinkerinnen (deren Babys genauso geschädigt sein können) durch den Wert nicht delektiert. Außerdem ist die Fragewie ein solcher Parameter in der Praxis tatsächlich einzusetzen ist, da er natürlich das Einverständnis und damit auch das Vertrauen der Mutter voraussetzt. Ich denke, wir müssen auf Prävention und Aufklärung setzen.

Experten auf dem Gebiet des Fetalen Alkoholsyndroms haben beobachtet, dass “klassische” Drogenabhängige und auch Raucher in der Regel zudem Alkohol konsumieren. Selten wird dies aber zugegeben. Wäre hier nicht auch eine Prüfung der Ethylglucuronid-Werte sinnvoll?

Dr. Nikola Klün: Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Aber auch hier frage ich mich, wie die Bestimmung des Wertes in der Praxis aussehen soll. Ich denkeeine gute Zusammenarbeit mit den Familien sollte auf Vertrauensbasis passieren.

Du arbeitest in der Neonatologie. Hast Du persönliche Erfahrungen mit von Alkohol geschädigten Neugeborenen gemacht?

Dr. Nikola Klün: Ich habe Neugeborene betreut, bei denen wir die Verdachtsdiagnose nach der Schwangerschaft gestellt haben. Oft wissen wir auf der Neonatologie von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft, wenn die Mutter andere Substanzen wie Drogen oder Medikamente in der Schwangerschaft eingenommen hat und wir nach der Geburt mit einem Entzugssyndrom rechnen müssen. Von gelegentlichem Alkoholkonsum erfahren wir selten. Die Neugeborenen fielen durch eine ständige Unruhe auf, die sich durch die üblichen Maßnahmen wie saugen, trinken oder Körperkontakt nicht auflösen ließen. Die Säuglinge zeigen einen erhöhten Muskeltonus, ein unregelmäßigeres Schlafverhalten und ein oft unkoordiniertes Saugverhalten. Faziale (zum Gesicht gehörende) Auffälligkeiten sind in dem Alter schwer zu erkennen, oft misst man aber einen zu kleinen Kopfumfang und die Babys neigen eher zu Untergewicht.

Welche Maßnahmen werden unternommen, wenn der Verdacht auf Alkoholschäden beim Baby bestehen?

Dr. Nikola Klün: Akute Maßnahmen am Neonaten bestehen zunächst einmal in einer reizarmen Umgebung, man bezeichnet das auch als sogenanntes Comfort care. Der Säugling soll nicht mit zu vielen Reizen konfrontiert werden. Kangarooing (enger Körperkontakt mit der Bezugsperson) wirkt oft besser als jedes Medikament. Bei Säuglingen, die unter der Schwangerschaft mehreren Substanzen ausgesetzt waren, kann eine medikamentöse Unterstützung notwendig werdenz.B.mit Morphin.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern?

Dr. Nikola Klün: Da habe ich bis jetzt positive Erfahrungen sammeln dürfen. Wir arbeiten viel mit den sogenannten Frühen Hilfen zusammen, die uns wöchentlich auf den Stationen besuchen und sehen, welche Form der Unterstützung für die Familien notwendig werden. Wichtig ist hier aber auchdie entsprechenden Familien zu erkennen und vorzustellen.

Was muss Deiner Meinung nach getan werden, dass sich die Situation für betroffene Kinder ändert?

Dr. Nikola Klün: Ich war völlig überrascht von dem Ausmaß des Syndroms in Deutschland. Wenn man sich damit beschäftigt, sieht man, wieviele Frauen Alkohol in der Schwangerschaft gelegentlich trinken.

Ich denke, dass das A und O Prävention ist. Wenn die Schwangeren ausreichend aufgeklärt werden, dass jeder Tropfen Alkohol in der Schwangerschaft gefährlich ist, wenn mehr Bewusstsein für das Syndrom geschaffen werden würde, wäre schon viel geholfen. Das heisst also, die Schwangeren früh in der Schwangerschaft auf Alkohol anzusprechen und unterstützend mit dem Thema umzugehen. Da liegt viel Potenzial bei den betreuenden Frauenärzten. Wir Kinderärzte müssen mit offenen Augen arbeitenum zu erkennendann aber auch keine Scheu haben, das Thema anzusprechen und Diagnostik zu leisten. Nur durch die gestellte Diagnose ist den Betroffenen geholfen, nur so können sie die entsprechende Hilfe bekommen, die sie dringend benötigen. 

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne

 

Erst der Suizidversuch brachte die Diagnose

Das Kind kommt auf die Welt mit nur einem Ohr, der kleine Finger der linken Hand ist verkürzt, der linke Arm fehlgebildet, außerdem wird Skoliose diagnosdiziert, eine Wirbelsäulenverkrümmung.

Verdacht auf Fetales Alkoholsyndrom?

Nein!

“Es war bekannt, das meine Mutter Alkohol in der Schwangerschaft getrunken und Antidepressiva genommen hat”, sagt der Sohn.

Die Mutter streite das ab. Bis heute.

“Aber mein Vater wusste es. Der hat es mir erzählt. Der ist wütend”, sagt der Sohn.

Im Verlauf der Jahre stellt sich heraus, dass der kleine Justin* nicht nur unter körperlichen Beeinträchtigungen zu leiden hat.

Er kann sich nur sehr schlecht konzentrieren, vergisst sehr viel, kann nicht leisten, was er tun soll und fühlt sich oft genug hoffnungslos überfordert. Justin hat Probleme seine Impulse zu kontrollieren und seine Wutausbrüche sind legendär. Hinzu kommen Schlafprobleme, die Nächte empfindet er als Qual. “Gefühlt werde ich 999 Mal wach”, sagt er.

Wird inzwischen mal der Verdacht auf Fetales Alkoholsyndrom geäußert? Bekommt Justin Therapien, Medikamente?

“Nein”, merkt er kurz und knapp an, nur die Skoliose sei operiert worden.

Das Leben nimmt seinen Lauf. Es dauert nicht lange, dass die Eltern sich scheiden lassen. Justin bleibt bei seiner Mutter, einer Erzieherin, bis er 15 Jahre ist. Dann haut er ab und wohnt für fünf Jahre bei seinem Vater, einem selbständigen Unternehmer. Justin ist kreuzunglücklich, das Leben überfordert ihn in jeder Hinsicht, er bekommt Depressionen. Trotzdem schafft er den Hauptschulabschluss und beginnt eine Ausbildung zum Fachlageristen. Drei Monate vor der Prüfung schmeißt er hin. “Wegen der Psyche”, erklärt Justin. Er nimmt ein zweites Mal Anlauf Fachlagerist zu werden. Wieder Abbruch. Begründung dieses Mal: zu sensibel. Auch die Skoliose zollt Tribut.

Justin fängt an sich selbst zu verletzen. Erste Gedanken nicht mehr leben zu wollen befallen ihn. Justin hält es nicht mehr aus beim Vater und flüchtet zur Mutter. Doch auch hier geht es ihm nicht besser. 21 Jahre ist er, als er sich umbringen will. Der Suizidversuch mißglückt, setzt aber auf wundersame Weise innere Kräfte frei. Justin weist sich selbst in die Psychiatrie ein.

“Dort habe ich sehr viel über mich erfahren”, sagt er. Dort stellt man ihm auch endlich die Diagnose: Fetales Alkoholsyndrom im Vollbild, gepaart mit schweren Depressionen.

Wirkliche Hilfe bekommt er offenkundig nicht – es folgen weitere Aufenthalte in einer anderen Psychiatrie. Dort erhält er noch eine Diagnose on top: Borderline.*

Medikation? Begleitende Therapien? “Nur Antidepressiva”, berichtet Justin. Und weiter: ” Ich wollte das nicht. Dann habe ich sie doch genommen und bin voll abgeschmiert. Das ist mir nicht bekommen. Ich habe denen gesagt, dass sie mir Cannabis verschreiben sollen, weil ich damit im Alltag ganz gut zurecht komme.”

Inzwischen lebt Justin allein in einer Wohnung mit zwei Wellensittichen. Ab und an kommt eine Betreuerin vorbei oder er fährt zu ihr. Sie befürwortet einen Umzug in eine betreute Wohngemeinschaft. Bei einem seiner Elternteile zu wohnen ist keine Option mehr. “Sie kommen beide mit meiner Psyche nicht klar”, erklärt Justin. Und Justin möchte es auch selbst nicht: “Sie streiten so viel, das überfordert mich.”

Im August wird Justin ein drittes Mal Anlauf nehmen für eine Ausbildung. Dieses Mal zum Sozialassistenten. Das liegt ihm deutlich mehr: “Ich glaube, das passt gut zu mir, weil ich besonders gut darin bin mich in andere Menschen hineinzuversetzen und zuzuhören.”

Wenn Justin sein bisheriges Leben Revue passieren lässt, dann “wundert es mich schon, dass ich vorher nie in psychologischer Behandlung war” – Diagnose Fetales Alkoholsyndrom hin oder her. Die Beeinträchtigungen hat es ja schließlich gegeben und gibt es bis heute. Aber so, wie die eigene Mutter wider besseres Wissen abstreitet Alkohol während der Schwangerschaft getrunken zu haben, so verständnislos reagiert auch die weitere Verwandtschaft. “Es wird immer wieder gesagt, ich soll mich nicht auf der Diagnose ausruhen. Dabei tue ich das doch gar nicht. Ich habe es ihnen immer und immer wider erklärt, wie das ist mit FAS, inzwischen habe ich keine Lust mehr”, klagt Justin. Sein Vater sei sauer auf Justin’s Mutter, dass sie alles abstreitet. “Aber ich merke ihr an, dass sie ein schlechtes Gewissen hat”, sagt Justin.

Er selbst habe akzeptiert, dass er krank sei: “Ich rede da offen drüber.” Wenn man sich mit den speziellen Beeinträchtigungen auseinandersetze und entsprechend damit umgehe, dann “ist das Leben trotzdem ein schönes”.

Justin möchte möglichst vieles über das Syndrom erfahren. Als er liest, dass in Deutschland jedes Jahr 10.000 Babys mit Alkoholschäden geboren werden, dass inzwischen 300.000 Betroffene damit leben müssen, ist er maßlos entsetzt: “Bitte was? Ich dachte, das haben nicht so viele.”

P. S. Entsetzt ist Justin nicht zuletzt als er erfährt, dass er eine fragwürdige Doppeldiagnose – Fetales Alkoholsyndrom plus Borderline – bekommen hat. Schon seine Betreuerin hatte an der Diagnose Zweifel angemeldet. Nun will sich Justin an ausgewiesene Experten des Fetalen Alkoholsyndroms wenden; dies auch im Hinblick auf eine angemessene Medikation und Unterstützung.

In diesem Zusammenhang wird auf folgenden Beitrag hingewiesen:

https://www.researchgate.net/publication/318707736_FAS_-_die_nicht_gestellte_Diagnose_und_die_Konsequenzen_fur_die_Sozialpsychiatrie

*Name ist geändert

Autorin: Dagmar Elsen

omaMa-shop postet regelmäßig Blog-Blaupausen

Happy Baby No Alcohol-Partner omaMa-shop unterstützt die Kampagne unermüdlich, indem ihre Macherinnen seit Monaten  jede Woche einen Blogbeitrag von uns auf ihrem Instagram-Account posten. Mit den sogenannten Blaupausen, die Themen rund um das Fetale Alkoholsyndrom abdecken, erreichen wir auf diese Weise über 20.000 Menschen, die omaMa-shop kontinuierlich folgen. Das ist phantastisch und wir freuen uns sehr darüber. Höchste Zeit, noch einmal ganz herzlich Danke zu sagen.