WAS BEDEUTET FETALES ALKOHOLSYNDROM?
Medizinisch korrekt wird von Fetal Alcohol Spectrum Discorder, kurz FASD, gesprochen – zu deutsch: Fetale Alkohol-Spektrum-Störungen. Dazu zählen alle körperlichen wie neurologischen Schädigungen des ungeborenen Babys; hervorgerufen durch Alkoholgenuss während der Schwangerschaft. Liegen Beeinträchtigungen in beiden Bereichen vor, handelt es sich um das Vollbild FAS. Nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es insgesamt 419 Symptome von FAS mit begleitenden Erkrankungen oder Störungen.
WAS MACHT DER ALKOHOL?
Alkohol ist ein Nervengift, das alle Zellen, somit die Zellteilung und Organsysteme schädigen kann. Welche Schädigungen hervorgerufen werden, ist davon abhängig, wann, wie lange und wieviel die Mutter getrunken hat. Das Gehirn als Aufbauorgan reagiert am stärksten auf die toxische Wirkung des Alkohols, da sich die Hirnreifung über die gesamte Schwangerschaft vollzieht. Hat die Zellteilung an einem Tag nicht richtig funktioniert, dann fehlt dieser Entwicklungsschritt. Die Schädigung ist irreparabel.
Abgesehen davon, dass Alkohol ungebremst durch die Plazenta zu dem ungeborenen Kind fließt, ist auch die Leber des Embryos noch nicht ausgebildet. Das bedeutet, dass das Embryo den Alkohol nicht wie ein erwachsener Organismus abbauen kann. Angenommen, die Mutter hat einen Alkoholspiegel von 0,8 Promille, dann ist bei ihr der Alkohol nach acht Stunden wieder abgebaut. Das Embryo hingegen schwimmt drei Tage im Alkohol, bis dieser endgültig abgebaut ist.
Es wird häufig argumentiert, dass doch gar nicht immer etwas passiert, wenn die Mutter mal ein oder zwei Gläser getrunken habe. Das lässt sich nicht bestreiten. Es muss nicht etwas passieren, kann aber. Nur: Keiner kann vorher wissen, wann es passiert.
Das liegt auch daran, dass viele weitere Umstände eine Rolle spielen. Wie hoch ist der Stresspegel der Schwangeren? Wie ernährt sie sich? Wie viel hat Sie vorher gegessen? Wie gut ist die Fähigkeit der mütterlichen Enzyme den Alkohol abzubauen? Wie alt ist die Mutter? – denn mit dem Alter sinkt die Fähigkeit den Alkohol abzubauen, weil sich unter anderem auch das Verhältnis von Körperfett und Körperwasser verändert. Erwiesen ist: Ab 30 Jahren verfünffacht sich das Risiko der Schädigungen, wenn die Schwangere Alkohol trinkt.
Wer die Risiken in Kauf nimmt und trotzdem trinkt, spielt eindeutig Russisches Roulette.
Entwarnung kann nur für die ersten vierzehn Tage nach der Befruchtung der Eizelle gegeben werden. Die Natur verfährt sozusagen nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Ist die Eizelle in diesem frühen Stadium durch Alkohol stark geschädigt, nistet sie sich nicht in der Gebärmutter ein und wird, in aller Regel mit der nächsten Blutung, unbemerkt abgestoßen.
WORAN ERKENNT MAN FAS?
Körperliche Beeinträchtigungen sind am einfachsten zu erkennen: Ist das Kind beispielsweise auffällig klein und leicht, hat es eine schmale Oberlippe, fehlt die Lidspalte, ist der kleine Finger verkürzt, fehlt das Philtrum (die Rinne zwischen Nase und Oberlippe), ist der Kopfumfang vermindert, ist der mittlere Teil des Gesichtes abgeflacht? Liegen Herzfehler, Fehlbildungen an den Ohren, Störungen der Nierenfunktion vor? Hat es grobe motorische Defizite? Sind epileptische Anfälle zu beobachten?
Handelt es sich um neurologische Schäden, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen, oder ist die Intelligenz vermindert, wird die Diagnose schwieriger. Je nachdem, um was es sich handelt, kann, muss dies nicht, bereits im Kleinkindalter auffallen.
DIE HÄUFIGSTEN VORKOMMNISSE
In der Regel der Fälle ist unbekannt, ob die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat, weil es sich um Pflege- oder Adoptivkinder handelt. Diese Kinder haben per se mit Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten zu kämpfen. In welchem Maße, ist davon abhängig, mit welchem Alter sie in ihre neue Familie gekommen sind und welche traumatisierenden Erlebnisse sie hatten. Zu guter letzt spielt auch der Umstand eine Rolle, ob es sich um eine Auslandsadoption mit den damit einhergehenden kulturellen Unterschieden handelt.
In den genannten Zusammenhängen können die daraus resultierenden Auffälligkeiten deckungsgleich zu FASD sein. Es ist deshalb wichtig, die Kinder genauestens zu beobachten, in welcher Form sich Symptome äußern, in welcher Intensität und welchem Kontext sie zu weiteren Verhaltensmustern oder Begebenheiten stehen.
Intellektuelle Defizite zeigen sich vor allem im logischen Denken. Abstrahieren fällt den Kindern schwer, ebenso das Erkennen von Sinnzusammenhängen. Um so schwieriger ist es für sie, Regeln zu lernen und diese einzuhalten. Fast immer ist die Konzentrationsfähigkeit vermindert. Sie sind oft nur für kurze Zeit aufmerksam und lassen sich schnell selbst von Kleinigkeiten ablenken. Deswegen fällt es ihnen schwer, Aufträge bis zum Ende auszuführen und Verabredungen einzuhalten.
Die Frustrationsschwelle von Kindern mit FAS ist äußerst niedrig, Wut und Ärger schwer für sie zu kontrollieren. Sie sind sehr risikobereit, aber ohne die Gefahren richtig einschätzen zu können. Und: Sie lernen schlecht aus gemachten Erfahrungen.
Auffällig an Kindern mit FAS ist ihre hohe Hilfsbereitschaft. Da sie aber auch leichtgläubig, naiv, vertrauensselig sind, lassen sie sich leicht verleiten. Sie geraten schnell in unangenehme Situationen und sind sich der Folgen ihres sozialen Handelns nicht bewusst.
DIAGNOSTIK
Die wichtigste Information zuerst: Wird FAS frühzeitig erkannt, ist die Chance am größten, die Auswirkungen der Behinderungen und Beeinträchtigungen durch individuelle, langfristige Hilfeplanungen und Beratungen möglichst gering zu halten. Ausserdem kann dadurch allen Beteiligten viel Frustration und Stress erspart werden.
Optimal ist, wenn alle, von den Eltern über die Hebammen, SozialpädagogInnen, SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, TherapeutInnen, PsychologInnen, Kinder- und Jugendlichen-PsychotherapeutInnnen, klinisch tätige oder niedergelassene Ärztinnen und Ärzte der Gynäkologie, der Kinder- und Jugendmedizin, einschließlich der Schwerpunktgebiete Neonatologie, Intensivmedizin, Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, der Allgemeinmedizin und des öffentlichen Gesundheitsdienstes sensibilisiert sind.
Erst durch die Aufmerksamkeit und Kooperation aller kann gewährleistet werden, dass Risikokinder eine adäquate Diagnostik und Therapie erhalten.
Seit 2013 gibt es die sogenannte S3-Leitlinie, die einheitlich und wissenschaftlich basierte Kriterien zur Erkennung von FAS gelistet hat. Erarbeitet wurde diese von einer Kommission aus Fachleuten der Kinderheilkunde, der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Hebammen, Vorsitzenden von Fachgesellschaften und Elterninitiativen, dokumentiert von Dr. Mirjam Landgraf und Professor Dr. Florian Heinen, mit gesamter Unterstützung der Bundesregierung (einzusehen unter www.awmf.org).
Der Klassiker in der Fachliteratur zum Thema FAS stammt von Hans-Ludwig Spohr unter dem Titel “Das Fetale Alkoholsyndrom: Im Kindes- und Erwachsenenalter”.
Kliniken und Ärzte
FASD-Fachzentren in Deutschland
Nordrhein-Westfalen
- Klinik Walstedde, Nordholter Weg 3, 48317 Drensteinfurt, Tel. +49 (0) 2387 9194-4000, e-Mail: info@klinik-Walstedde.de (für Jugendliche und junge Erwachsene)
- Tagesklinik und FASD-Ambulanz Walstedde, Dorfstr. 9, 48317 Drensteinfurt, Tel. +49 (0) 2387 9194-6000, e-Mail: info@tagesklinik-Walstedde.de (für Kinder, Jugendliche, Erwachsene)
- Haus Walstedde, Nordholter Weg 3, 48317 Drensteinfurt, Tel +49 (0) 2387 9194-0, E-Mail: info@Haus-Walstedde.de (für Kinder, Jugendliche, Erwachsene)
- Essen, Elisabeth Krankenhaus, Sozialpädiatrisches Zentrum, Tel. 0201-897-4701 (für Kinder), LVR-Klinikum, Tel. 0201-87-07-450 (für Erwachsene)
Bayern
- Dr. von Haunersches Kinderspital, Pädiatrische Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Lindwurmstr. 4, 80337 München, Tel. 089- 5160-2811, E-Mail: info@klinikum.uni-München.de (für Kinder)
- kbo-Heckscher-Klinikum, Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Deisenhofener Str. 28, 81539 München,Tel. 089-9999-11-11, E-Mail: info.HEK-MDH@kbo.de (für Kinder und Jugendliche)
Berlin
- Charité, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Campus Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Tel. 030-450 566229, E-Mail: heike.wolter@charite.de (für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre )
- Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge, Herzbergstr. 79, 10365 Berlin, Tel. 030-5472-4960, e-Mail: keh@keh-Berlin.de (für Kinder und Jugendliche, aber nur für ortsansässige Berliner)
- Professor Dr. Hans-Ludwig Spohr, Anmeldung per mail: fas-spohr@gmx.de (für Kinder, Jugendliche und Erwachsene)
- FASD-Fachzentrum Sonnenhof Tel. 030-36750933 (für Kinder, Jugendliche und Erwachsene)
Kliniken und Ärzte
- Bad Kreuznach, Kreuznacher Diakonie, Sozialpädiatrisches Zentrum, Tel. 0671-605-2365
- Bremen, Praxis für Humangenetik, Tel. 0421-346743-40,
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen, Tel. 0421-497-75924,
Sozialpädiatrisches Institut (SPI) Kinderzentrum Klinikum Bremen-Nord, Tel. 0421-6606 – 0, Kinder- und Jugendarzt, Martin Schacht, Tel. 0421 62 65 950 - Bonn, Kinderneurologisches Zentrum im LVR-Klinikum Bonn, Tel. 0228, 6683130 (Ambulante FAS-Sprechstunde und stationäre Aufnahme)
- Cottbus, Carl-Thiem-Klinikum, Tel. 0355-463159
- Düren, FASD-Ambulanz im Sozialpädiatrisches Zentrum im St. Marien Hospital, Tel. 02421-805370 (Diagnostik und Beratung)
- Erlangen, Sozialpädiatrisches Zentrum, Kinderklinik des Uni-Klinikums, Tel. 09131-8532146 und Diagnostik für Erwachsene im Uniklinikum unter Psych-fasd@uk-erlangen.de, Tel. 09131-85-34597
- Göttingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsmedizin, Tel. 0551-39-132-41
- Hamburg, Sozialpädiatrisches Zentrum, Tel. 040-507702; Zentrum für Pränatalmedizin an der Elbe, Tel. 040-63702810; Institut für Kinderneurologie, Tel. 040-486089,
- Hannover, Sozialpädiatrisches Zentrum auf der Bult, Tel. 0511-8115-7702
- Hattingen, Dr. Antje Erencin, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Tel. 02324-23831
- Heidelberg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg, Zeppelinstraße 11 –
‐ 33, Tel. 06221- 483-0 - Herborn, Vitos Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit, Tel. 02772-5040
- Kerpen, Sozialpädiatrisches Zentrum Rhein-Erst-Kreis Kerzen, Tel. 02237-639010 (Diagnostik, Beratung, Therapie)
- Ludwigsburg, Sozialpädiatrisches Zentrum Ludwigsburg, Tel. 07141-99-68-101
- Leipzig, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), Tel. 0341-984690
- Mainz, Landeskrankenhaus Rheinhessen Fachklinik, Zentrum für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie, Tel. 06131-378-2151
- Mainerzhagen, Dr. Barbara Wüst, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Tel. 02354-779700
- Meppen, Sozialpädiatrisches Ambulanz- und Therapiezentrum, Tel. 05931-152-1730
- Mönchengladbach, Dr. Robert Maiwald, Facharzt für Humangenetik, Tel. 02161-8194-0
- Mühlheim an der Ruhr, Sozialpädiatrisches Zentrum, Tel. 0208-309-2570
- Neustadt in Holstein, Kinderzentrum Pelzerhagen, Tel. 04561-7109-0
- Obernhausen, Evangelisches Krankenhaus, Sozialpädiatrisches Zentrum, Tel. 0208-881-1390
- Remscheid, Institutsambulanz des Sana-Klinikums, Tel. 02191-130, (Diagnostik bis 20 Jahre)
- Rendsburg, Imlandklinik, Abteilung Psychiatrie und Psychosomatik, Tel.o4331-2008001, (nur regionale Patienten)
- Rickling, Psychiatrisches Krankenhaus, Andreas Steinmann, Tel. 04328-180
- Schwerin, Kinderzentrum Mecklenburg, Tel. 0385-55159-0
- Soltau, Kinderneurologie Soltau, Dr. Lutz Krüger-Roda, Tel. 05191-8898790
- Unna, Sozialpädiatrisches Zentrum Königsborn, Tel. 02303-96700,
Fachklinik für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie Königsborn, Tel. 02303-96700, (Stationäres multimodales Therapieprogramm) - Wermsdorf, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Psychosomatik Fachkrankenhaus Hubertusburg, Dr. Peter Grampp, Tel. 0343-6462900
Dagmar Elsen
Tel. +49 (0) 170 96 25 807
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