Pilot-Projekt in Hessen: FAS-Aufklärung in der Schule
„Aufklärungsarbeit über die Folgen von Alkohol in der Schwangerschaft muss schon in den Schulen ansetzen“, ist die feste Überzeugung von Ingrid Müller, stellvertretende Leiterin des Vereins Suchthilfe Wetzlar. Damit bläst sie in das gleiche Horn wie die Vorsitzende des Vereins FASD Deutschland, Gisela Michalowski, die auf einer Fachtagung der Bundesdrogenbeauftragten 2012 in Berlin forderte: “Es muss in die Köpfe rein: Wenn ihr trinkt während der Schwangerschaft, wird das Kind behindert. Und das kann ich nur erreichen, indem ich das an allen Schulen unterrichte.”
Die flächendeckende Umsetzung einer solchen Präventionsarbeit in den Bundesländern hat bisher auf sich warten lassen. Ingrid Müller hat deshalb mit ihrer Kollegin von der Suchthilfe Wetzlar, Gabriele Schwinn, 2017 im Lahn-Dill-Kreis ein Schulprojekt angeschoben. Die Reaktionen der Schüler geben der Notwendigkeit und Bedeutung des Aufklärungsprojektes recht. Nur rund 34% der befragten Schüler gaben an, dass sie sich schon einmal mit dem Thema Alkohol in der Schwangerschaft beschäftigt hatten. Erschreckende 98,41% wussten nicht, welche Folgen es hat, wenn Schwangere zum Alkohol greifen.
Gabriele Schwinn, die für das Projekt nicht nur verantwortlich zeichnet, sondern auch in den Schulen umsetzt, weiß zu berichten, dass die meisten Schüler entsetzt sind, wenn sie hören und sehen, was mit dem ungeborenen Kind im Mutterleib passiert und mit welchen Behinderungen es zur Welt kommen kann. “Ich setze gern auf die Kraft der Visualisierung”, erzählt die Pädagogin. Dafür bedient sie sich eines Versuches, den so mancher aus dem Chemieunterricht kennen dürfte. “Die Schüler sind dann alle total geflashed, wenn sie hören, dass das mit dem Baby im Bauch im übertragenen Sinne genauso passiert”, berichtet sie. Ergriffen gewesen seien die Schüler auch sehr, als sie den Film “Blau im Bauch” angeschaut haben.
Emotionen werfen Fragen auf und wecken das Bedürfnis, aus eigenen Erfahrungen zu berichten. Wie engagiert die Schüler dabei sind, hänge natürlich zum einen vom Alter der Schüler ab, zum anderen von der Schulform. Wichtig ist, dass während der Aufklärungseinheiten von üblicherweise zwei Stunden keine Lehrer dabei sind. Außerdem werden Jungs und Mädchen getrennt voneinander an die Thematik herangeführt; dies jeweils von einer gleichgeschlechtlichen Fachkraft. So seien die Schüler offener, erzählten eher persönliche Geschichten und stellten ungezwungener intimere Fragen – wie zum Beispiel: Ab wann soll man bei Alkoholgenuss denn verhüten?
Nach den zwei Unterrichtseinheiten ist das Projekt noch nicht beendet. “Monate später,” so Gabriele Schwinn, “gehen wir noch einmal hin und fragen nach, was denn so hängen geblieben ist und frischen Vergessenes wieder auf.” Auf die Resonanz der Schüler sind die Pädagogen natürlich gespannt. Diese sei grundweg positiv, freut sich auch Ingrid Müller berichten zu können. Es sei immer wieder betont worden, dass man sich der Relevanz der Thematik nicht bewusst gewesen sei. Die Nachfrage der Lehrkräfte an den Schulen, das Projekt in weiteren Jahrgängen umzusetzen, unterstreicht die Bedeutung zusätzlich.
Auf diese Weise kommt man zumindest im Landkreis Wetzlar dem Ziel der beiden Projektverantwortlichen ein Stück näher, “dass Null Alkohol in der Schwangerschaft zum Lifestyle wird und ein partnerschaftliches Bewusstsein entwickelt wird, dass dies für beide PartnerInnen in einer Partnerschaft oder Ehe gelten sollte.”
Autorin: Dagmar Elsen
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